DAC 6 — Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen
Rückwirkend bis Mitte 2018 müssen bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen dem Bundeszentralamt für Steuern oder den entsprechenden Behörden in den anderen EU Staaten mitgeteilt werden. Es besteht also Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (kurz: DAC 6, auch DAC6 und DAC‑6). Ziel ist die Aufdeckung und eventuelle Beseitigung auch legaler Möglichkeiten zur aggressiven Steuerplanung. Das betrifft auch Personen und Unternehmen, die Norwegen, in der Schweiz und in Liechtenstein ansässig sind.
Inhaltsverzeichnis
Sie haben oder planen eine grenzüberschreitende Steuergestaltung?
Gemäß DAC 6 muss jeder, der eine grenzüberschreitende Steuergestaltung plant, vermarket oder berät prüfen, ob der Hauptvorteil solcher Modelle die Erwartung einer geringeren steuerlichen Belastung ist, oder andere spezifische Kennzeichen, sogenannte «Hallmarks» aufweist. Beispiele dafür sind grenzüberschreitende Darlehensbeziehungen, Leasingverträge oder Lizenzierungen. Auch die Erfüllung oder Beseitigung von Merkmalen einer steuerlichen Betriebsstätte oder Eingriffe, die zu einer Änderung der Methodik zur Gestaltung der Verrechnungspreise führen, fallen darunter und sind meldepflichtig. Eine abschließende Aufzählung existiert nicht.
Verlagerung von der Schweiz nach Deutschland
Es ist und bleibt absolut legal, wenn ein Unternehmen seinen Sitz oder eine Betriebsstätte von der Schweiz, aus den USA oder einem anderen Land nach Deutschland verlegt und in diesem Zusammenhang ein Step-up der Buchwerte vollzogen wird. Während ist beim Wegzug aus den meisten Ländern, so auch aus der Schweiz keine stille Reserven aufgedeckt und somit keine zusätzliche Steuern fällig werden, erfolgt dennoch beim Zuzug in Deutschland eine Bewertung aller Wirtschaftsgüter inklusive des immateriellen Goodwill zum realen Wert. Der Unternehmenswert wird nach den gängigen Methoden, z.B. dem Standard IDW S1 oder einer DCF-Methode (discounted cash flow) ermittelt. Es ergibt sich aus der Kapitalisierung aller zukünftigen entnahmefähigen Beträge in aller Regel ein Unternehmenswert, der deutlich über dem Buchwert liegt. Die Buchwerte werden zunächst aufgestockt auf den tatsächlichen Wert. Man spricht dann von einem Step-up der Buchwerte.
In Deutschland dürfen dann von diesen höheren Buchwerten steuerliche Abschreibungen vorgenommen werden, obwohl im Ausland bereits Abschreibungen vorgenommen wurden. Liegt der Unternehmenswert über den aufgestockten Buchwerten, dann ist dieser Betrag als Firmenwert oder Goodwill auf 15 Jahre steuerlich abzuschreiben. Das macht die Sitzverlegung sehr attraktiv, weil das Einkommen, egal aus welcher Einkunftsart, in Höhe der zusätzlichen Abschreibungen 15 Jahre lang steuerfrei bleibt. Nicht zuletzt führt die Sitzverlegung dazu, dass dann aus deutscher Sicht inländisches Betriebsvermögen vorliegt, das bei Schenkungen oder Erbschaft steuerlich begünstigt wird. Das geht bis hin zur vollständigen Steuerbefreiung und gilt auch für Übertragungen an Personen, mit denen man nicht verwandt ist. Auch die Schweiz bietet seit dem 1. Januar 2020 einen Step-up an, um den Standort für die Ansiedlung von Unternehmen attraktiv zu machen.
Meldepflicht (DAC 6) beachten
Solche Gestaltungen nimmt man nicht hauptsächlich deshalb vor, weil man damit Steuern spart. Trotzdem würde im Ergebnis die Steuerlast des Unternehmens insgesamt gemindert und damit ein Merkmal, ein sog. Hallmark erfüllt, das zu einer Meldepflicht (DAC 6) führt. Wenn der Unternehmer seinen Sitz in Deutschland hat, dann ist er hier meldepflichtig. Hat der Unternehmer seinen Sitz in Frankreich, und verlagert eine Betriebsstätte von der Schweiz nach Deutschland oder umgekehrt, dann ist die Meldung an die französischen Behörden zu erstatten.
Die Meldepflicht liegt beim Steuerzahler
Die Europäische Union wird ein gemeinsames Netzwerk einrichten, über das der automatische Informationsaustausch über meldepflichtige, grenzüberschreitende Steuerplanungsmodelle (DAC 6) erfolgen soll. Im Prinzip muss jeder Steuerberater solche Gestaltungen von sich aus melden. Da wir als Steuerberater aber eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht haben und nicht einmal vor Gericht dazu gezwungen werden können, über das zu sprechen, was wir in Ausübung unseres Berufes vom Mandanten erfahren haben, geht die DAC 6 Meldepflicht auf den Anwender und somit den Mandanten über. Das Meldeverfahren ist recht komplex und erfolgt nach amtlichem Muster in elektronischer Form. Daher macht es Sinn, dass der Steuerberater den Mandanten bei der Erfüllung auch dieser steuerlichen Pflicht unterstützt.
OECD Empfehlungen und EU Richtlinie
Die Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen ist in vielen Rechtssystemen dieser Welt verankert. Die USA, Südafrika und etliche weitere Länder kennen solche Instrumente schon lange. Die Empfehlung der OECD hat deren Erkenntnisse aufgegriffen und zusammen mit eigenen Empfehlungen in einem Abschlussbericht vorgestellt und zur Umsetzung vorgeschlagen. Die EU hat dazu eine entsprechende Richtlinie erlassen, die von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen war. In Deutschland erfolgte die Umsetzung der Richtlinie in der Abgabenordnung (§138 AO ff.). Zum einen wurden nicht alle der im Abschlussbericht der OECD genannten Kriterien aufgenommen, an anderen Stellen aber über das Ziel hinausgeschossen.
DAC 6 regelt ordnungsgemäße Versteuerung
Die grundsätzliche Idee ist richtig. Es gibt schließlich keinen Grund, weshalb die Lufthansa eine Niederlassung auf den Cayman Islands braucht, wenn sie dort überhaupt keine Flüge anbietet. Es kann auch nicht richtig sein, wenn vermögende Privatpersonen und Unternehmen ihr Geld in Panama Papers verstecken und damit die Erträge daraus der Besteuerung entziehen, während jeder Azubi und jeder Lkw-Fahrer sein Gehalt ordnungsgemäß versteuert. Ob eine Transaktion mit steuerlicher Wirkung taugt oder nicht, erkennt man auch daran, dass man mit offenem Visier fahren kann, ohne dass die Gestaltung kippt. Es dient auch der Sicherheit der Unternehmen, wenn Gestaltungen mit steuerlicher Wirkung transparent sind. Dann nämlich werden sich die Steuerbehörden aller beteiligten Länder in einem engeren Zeitfenster mit dem Fall befassen nicht erst Jahre später in der Betriebsprüfung einseitig zu abweichenden Ergebnisse kommen.
Leider erhöhen sich mit dem neuen Meldeverfahren die bürokratischen Hürden und Fallstricke für alle Beteiligten. Es wird mehr denn je erforderlich sein, dass die beteiligten Personen und Unternehmen wie auch deren Berater sich untereinander abstimmen, damit nicht sich widersprechende Meldungen erstattet werden.
Sprachliche Hürden beim Meldeverfahren
In dem Zusammenhang stellt die in Europa beinahe an jeder Grenze bestehende Sprachbarriere eine zusätzliche Hürde dar. Denn es ist nahezu unmöglich, steuerlich relevante Sachverhalte wort- und sinngemäß 1:1 zu übersetzen. So ist zum Beispiel das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich in beiden Landessprachen gefasst; beide Sprachversionen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Es ist aber schwierig, sich vor einem deutschen Finanzamt oder Finanzgericht auf die französische Sprachfassung zu berufen. Wenn aber schon die Übersetzung amtlicher Texte solche Schwierigkeiten bereitet, dann kann man sich leicht vorstellen, wie schwierig die geforderte DAC 6 Meldung umzusetzen ist.