Wegzug ins Ausland: Neues Recht ab 1.7.2021 

Ob Sie aus beruf­li­chen Gründen zwei Jahre nach China gehen, sich auf Mallorca oder in Florida eine Auszeit nehmen und von dort aus arbeiten, den Lebens­abend in Südfrank­reich verbringen und aus Deutsch­land Rente beziehen — immer stellt sich die Frage nach der richtigen und zugleich vorteil­haften Gestal­tung der steuer­li­chen Verhältnisse. 

 

Unter anderem führt der Umzug oder auch nur die Verla­ge­rung des Mittel­punktes der Lebens­in­ter­essen zwangs­läufig zu einem Wechsel der steuer­li­chen und sozial­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Ansäs­sig­keit. dies hat zur Folge, dass das Land, aus dem man wegzieht, Einkünfte und Vermögen sowie auch Schen­kungen und Erbschaften nicht mehr wie bisher besteuern kann. Einigen Ländern ist das egal, Deutsch­land wie auch andere Staaten hingegen prüfen, ob man die bishe­rigen Einkunfts­quellen auch nach dem Wegzug besteuern kann. Dasselbe gilt für die Besteue­rung von Schen­kungen und Erbschaften, sowie hinsicht­lich der Besteue­rung des Wertzu­wachses bei Anteilen an Unternehmen. Deutsch­land hat diese Themen im Außen­steu­er­ge­setz behan­delt, zudem finden sich dazu Regelungen in verschie­denen Doppelbesteuerungsabkommen.

Diese Regelungen haben immer wieder zu Streit geführt, mehrfach musste auch der Europäi­sche Gerichtshof EuGH entscheiden. Denn eine Besteue­rung im Zeitpunkt des Wegzuges in ein anderes Land der EU oder in die Schweiz stellt grund­sätz­lich ein Hindernis in der Wahrneh­mung der durch die EU garan­tierten Grund­rechte dar. danach darf niemand an der freien Wahl seines Wohnortes gehin­dert werden. Der EuGH hart jedoch zugelassen, dass die Staaten unter­ein­ander entspre­chende Verein­ba­rungen treffen und der Wertzu­wachs in Anteilen an Kapital­ge­sell­schaften Im Zeitpunkt des Wegzuges besteuert werden darf. Aller­dings müssen die Staaten dem Steuer­pflich­tigen hinsicht­lich der Zahlung entge­gen­kommen. Deutsch­land hat das Urteil des EuGH vom 26.2.2019 in einer Geset­zes­än­de­rung mit Wirkung zum 1.7.2021 umgesetzt, nachdem die voraus­ge­gan­gene gesetz­liche Regelung sich als mit der Recht­spre­chung des EuGH als unver­einbar erwiesen hatte. Die neue Regelung gilt auch im Verhältnis zur Schweiz, welche sich in den bilate­ralen Verträgen mit der EU den europäi­schen Regeln angeschlossen hat.

Während bisher eine Unter­schei­dung getroffen wurde ob man in einem landder.eu umzieht oder in ein sogenanntes Dritt­land, z.B. in die USA,  gelten ab dem 1.1.2022 die gleichen Regeln für alle Länder. Personen, die in den letzten 12 Jahren mindes­tens 7 Jahre in Deutsch­land einen Wohnsitz hatten, und die Anteile an einer Kapital­ge­sell­schaft von mehr als 1% des Stamm­ka­pi­tals halten, werden im Zeitpunkt des Wegzuges so behan­delt, als hätten sie die Anteile verkauft. Dasselbe gilt, wenn solche Anteile ins Ausland verschenkt oder vererbt werden. Es ist noch nicht abschlie­ßend geklärt, ob aufgrund der Fiktion des § 1a KStG 2022 auch Anteile an zur Körper­schaft­steu­er­be­steue­rung optie­renden Perso­nen­ge­sell­schaften und Anteile an einer GmbH & Co KG in den Anwen­dungs­be­reich fallen.

Die Steuer muss auf Antrag jedoch zinslos gestundet werden. Wer inner­halb der nächsten 7 Jahre zurück­kehrt, für den entfällt die Steuer rückwir­kend. Der Zeitraum kann auf maximal 12 Jahre verlän­gert werden, was bei Entsen­dung und Arbeit­neh­mern ins Ausland durchaus Sinn macht. Bei Schen­kungen kann der beschenkte ebenfalls zurück­kehren bzw. erstmals nach Deutsch­land ziehen und so die Einkom­men­steuer, nicht aber die zusätz­lich anfal­lende Schen­kung­steuer vermeiden. 

Auf Antrag ist die Steuer über 7 Jahre zu in gleich­blei­benden Beträgen zu entrichten. Es ist regel­mäßig eine Sicher­heits­leis­tung erfor­der­lich. Die erste Jahres­rate ist inner­halb eines Monats nach Bekannt­gabe des Steuer­be­scheids zu entrichten; die übrigen Jahres­raten sind jeweils am 31. Juli der Folge­jahre fällig. Bei Nicht­zah­lung der Rate, Verkauf, hoher Dividende, Insol­venz, Schen­kung der Anteile inner­halb des Stundungs­zeit­raumes entfällt die Stundung und die Steuer ist sofort fällig.

In allen Fällen, in denen ein Umzug inner­halb der EU oder in die Schweiz erfolgt, empfehlen wir jedoch Einspruch gegen die Steuer­be­scheide einzu­legen. Denn es ist nicht sicher, dass die neue gesetz­liche Regelung der eingangs erwähnten Recht­spre­chung des EuGH entspricht. Das Finanz­ge­richt Baden-Württem­berg hat im August 2020 im Sinne des Steuer­pflich­tigen entschieden, die Sache liegt jetzt beim Bundes­fi­nanzhof und danach eventuell wieder beim EuGH.

Abgesehen von der Wegzugs­be­steue­rung im EWR-Raum besteuert Deutsch­land auch noch fünf Jahre nach dem Wegzug in ein niedrig besteu­ertes Gebiet jede Schen­kung und Erbschaft, aller­dings beschränkt auf das Inlands­ver­mögen. Zu den niedrig besteu­erten Gebieten zählen neben der die Schweiz und Liech­ten­stein u.as. auch die USA, Türkei oder Chile. Der Steuer­pflich­tige hat die Möglich­keit, die Vermu­tung einer niedrigen Besteue­rung im Ausland durch einen konkreten Belas­tungs­ver­gleich zu wider­legen. Dazu muss er darlegen, dass seine Steuer­be­las­tung nach dem Wegzug mindes­tens zwei Drittel seiner vergleich­baren Belas­tung bei unbeschränkter Steuer­pflicht in Deutsch­land ausmacht.

 

Die erwei­terte beschränkte Steuer­pflicht findet jedoch nur dann Anwen­dung, wenn der Steuer­pflich­tige wesent­liche wirtschaft­liche Inter­essen in Deutsch­land behält. Dazu gehören unter­neh­me­ri­sche Betei­li­gungen, oder Einkünfte, die mindes­tens 30% seines Gesamt­ein­kom­mens betragen. Die 30% Marke gilt auch für inlän­di­sches vermögen im Verhältnis zum Gesamt­ver­mögen. Ab 62.000 Euro Einkommen oder 154.000 Euro Inlands­ver­mögen greift die Besteue­rung auch dann, wenn die 30% Marke nicht erreicht wird. Wenn die Empfänger der Schen­kung oder Erbschaft in Deutsch­land leben, dann greift die unbeschränkte Steuer­pflicht auch nach Ablauf der fünf Jahre. 

Wer in Deutsch­land mindes­tens fünf Jahre unbeschränkt steuer­pflichtig war und in die Schweiz umzieht, der wird im Jahr des Wegzugs und fünf weitere Jahre mit seinen Inlands­ein­künften in Deutsch­land besteuert. Ausnahme: der Steuer­pflich­tige hat einen Schweizer Pass oder zieht im Zusam­men­hang mit seiner Hochzeit mit einem Schweizer Steuerbürger*in um in die Schweiz.

 

Änderung im Ehe- und Familienrecht sowie Erbrecht

 

Mit dem Wegzug ins Ausland verbunden ist nach gewisser Zeit auch eine Änderung im Ehe- und Famili­en­recht sowie des Erbrechts. Das Inter­na­tio­nale Privat­recht orien­tiert sich bei der Frage nach dem eheli­chen Güter­recht an dem Recht des Staates, welcher in der ersten Zeit der Ehe bestim­mend war. Eine spätere Auswan­de­rung ist insoweit unbeacht­lich. Aller­dings ändern sich die allge­meinen Wirkungen der Ehe wie z. B. die Frage, wie lange man getrennt leben muss, um geschieden zu werden und wo das zu geschehen hat. Inner­halb der EU ist man gerade dabei, hier eine Neure­ge­lung zu schaffen.

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    Jürgen Bächle

    Jürgen Bächle

    ist seit 1989 als selbständiger Steuer­be­rater und Experte im inter­na­tio­nalen Steuer­recht tätig und seit über 20 Jahren Mitglied im Vorstand des Deutschen Steuer­be­ra­ter­ver­bandes Baden-Württemberg, DSTVBW.

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