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Mitarbeiterbeteiligung

Förderung der Mitarbeiterbeteiligung – Versteuerung in Deutschland

Nach langer Diskussion um die steuerliche Förderung der Mitarbeiterbeteiligung in jungen Unternehmen (bis zu 12 Jahre alt) und somit auch Startups wurde am 22.4.2021 eine lediglich minimale Förderung beschlossen. Mit Wirkung ab 1. Juli 2021 erhalten Mitarbeiter für Ihnen zugewendete Anteile einen Freibetrag von 1.440 Euro pro Jahr. “Damit soll die Gewinnung und Bindung qualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Startups erleichtert werden“. Der Freibetrag ist besser als nichts, aber kein wirklicher Anreiz, eine komplexe Struktur aufzusetzen, ohne die ein solches Instrument nicht wirksam wird.

Inhaltsverzeichnis

Mitarbeiterbeteiligung bei Startups

Beschäftigte von Startups müssen ihre Einkünfte auf der Übertragung von Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers zunächst nicht mehr sofort versteuern, wie es bisher der Fall ist. Die Besteuerung der Mitarbeiterbeteiligung soll „erst“ bei einem Arbeitgeberwechsel, im Zeitpunkt der Veräußerung, oder spätestens nach dem Ablauf einer Frist von zwölf Jahren erfolgen. Wer also Anteile am Unternehmen erhält, dann aber den Job wechselt, zahlt Steuern, obwohl er in diesem Zeitpunkt keinen Zufluss an Geld hat und vielleicht sogar niemals einen Zufluss erleben wird, weil das Unternehmen eventuell scheitert. Damit ist möglicherweise nicht die Mitarbeiterbeteiligung gefördert, sondern wird im Gegenteil stark in Frage gestellt.

Besteuerung der Mitarbeiterbeteiligung

Ungeklärt ist, welchen Wert die Mitarbeiter dann versteuern müssen. Bei Startups werden die Unternehmen oft zur Vorbereitung von Finanzierungsrunden hoch bewertet. Der Wert wird von Runde zu Runde erhöht, sodass bei einem Arbeitgeberwechsel nicht selten Zahlen im Raume stehen, an die allenfalls Optimisten glauben. Wenn der Arbeitnehmer daran gemessen wird und Steuern auf etwas zahlen muss, das er aktuell noch gar nicht einschätzen kann, dann sprengt das bei vielen die Risikofähigkeit. 

 

Wer Karriere macht und innerhalb des Konzerns in eine andere, ev. ausländische Gesellschaft versetzt wird, der hat damit meist auch einen neuen juristischen oder wirtschaftlichen Arbeitgeber. Nach Lesart des neuen Gesetzes führt dies zur Steuerpflicht bereits erhaltener Mitarbeiterbeteiligungen.

 

Von der Änderung betroffen sind auch Mitarbeiter ausländischer (junger) Gesellschaften, wenn sie ihren Lohn z.B. als Grenzgänger in Deutschland versteuern oder aufgrund von Home-Office teilweise in Deutschland steuerpflichtig sind.

Stock Options

Bei reinen Stock Options gehen die Finanzverwaltung und Rechtsprechung bislang davon aus, dass eine Besteuerung erst im Zeitpunkt der Ausübung der Option zu dem dann gültigen Wert als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit stattfindet. Dabei wird davon ausgegangen, dass Stock Options zu dem dann festgestellten Wert steuerbar sind und nicht etwa der zwischenzeitliche Wertzuwachs ab Zusage als Veräußerung von Anteilen besteuert wird — was in der Regel günstiger wäre. 

 

Nach Ansicht des BFH kann ein Zufluss jedoch bereits bei Einräumung der Optionen vorliegen, sofern das Optionsrecht selbst verkehrsfähig ist, d.h. die Mitarbeiter die Rechte auch veräußern können. Denn ein Zufluss erfolgt im Rahmen der Überschusseinkünfte des EStG durch das Erlangen der wirtschaftlichen Verfügungsmacht. Als zugeflossen gelten Einnahmen in dem Zeitpunkt, in dem der Empfänger wirtschaftlich über sie verfügt oder verfügen kann. Hinreichend für den Zufluss des geldwerten Vorteils von echten oder unechten „Stock Options“ ist das Vorliegen der Veräußerungsmöglichkeit.

Zufluss und Bewertung der Anteile, internationales Recht

Anteile an börsennotierten Unternehmen haben einen Kurswert, der auch der Besteuerung des Zuflusses bei Arbeitnehmern zugrunde gelegt werden kann. Jedoch ist auch bei diesen Unternehmen zu unterscheiden, ob es sich um Aktien mit allen Gesellschaftsrechten handelt, oder um stimmrechtslose Aktien. Diese Unterscheidung ist auch bei nicht börsennotierten Unternehmen zu treffen. Wer keine Stimmrechte erhält, zahlt und versteuert bei einer Mitarbeiterbeteiligung deshalb weniger, als einer, der mit den Anteilen ein volles Stimmrecht und gewinnbezugsrecht erwirbt. Die Finanzämter treffen diese Unterscheidung jedoch nicht, weshalb bereits an der Stelle angeraten ist, sich zu wehren.

Nicht jeder, der in Deutschland den Zufluss von Anteilen zu versteuern hat, bezieht diese aus einem Arbeitsverhältnis, das deutschem Recht unterliegt. Das sei verdeutlicht an einem Schweizer börsennotierten Unternehmen, in dem viele Grenzgänger aus Deutschland arbeiten.

Mitarbeiterbeteiligung Schweiz – Deutschland

Novartis AG ist eine Gesellschaft nach Schweizer Recht, das Arbeitsverhältnis der Grenzgänger bestimmt sich ebenfalls nach dem Recht der Schweiz. Folglich beurteilen sich die zivilrechtlichen Ausflüsse aus dem Arbeitsverhältnis ebenfalls nach den Vorschriften des Schweizer ZGB. Ob und wann im Rahmen der verschiedenen Mitarbeiterbeteiligungs-Modelle eine Eigentumsübertragung stattgefunden hat, ist deshalb erst sekundär vom BFH zu beurteilen. Urteile hierzu sind bislang nicht bekannt. Die Programme der Novartis sehen keine Pflicht zum Erwerb der Aktien vor. Angenommen, ein Zufluss läge aber vor, dann kann der Zufluss nicht zum Börsenwert versteuert werden. Dass die Aktie der Novartis hoch volatil ist, erkennt man an folgender Grafik:

 

Ein Zufluss im Sinne von § 11 EStG wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erst mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht angenommen. Daran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer gerade nicht bzw. noch nicht über die Anteile verfügen kann. Lassen Sie uns trotzdem so tun, als sei die Aktie „zugeflossen“. Welchen Wert hat sie dann? Den Börsenwert verkörpert die Aktie dann, wenn alle Rechte, die mit dem Eigentum an der Aktie übergehen, den Rechten beim Kauf einer Aktie vergleichbar sind. Aktien sind Beteiligungen an Unternehmen. Sie sind so viel wert, wie sich an zukünftigen entnahmefähigen Erträgen damit verdienen lässt, bei Verfügungsmöglichkeit zu jeder Tages- und Nachtzeit. Damit das gewährleistet ist, gibt es die Börsen.

Die Wertsteigerung wird ab dem Zeitpunkt des steuerlichen Zuflusses, neuerdings ab 1. Juli auch beim Wechsel des Arbeitgebers, spätestens ab der Ausübung des Optionsrechts nicht mehr als Arbeitseinkommen, sondern bei Veräußerung im Rahmen der Kapitaleinkünfte besteuert. Das bestätigte zuletzt der BFH im Urteil vom 4.10.2016 – IX R43/15.

Die Übertragung Aktien stellt eine Sachleistung dar, die auf den Zeitpunkt der Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu bewerten ist. Nehmen wir das oben gezeigte Chart. Bei Kauf der Aktie Anfangs 2017 zum Börsenkurs 74 hätte ein Aktionär, die Möglichkeit, diese zu jedem Zeitpunkt, so auch Im Frühjahr 2020 zum Börsenkurs von ca. 90 zu verkaufen. Dieses Recht würde sich kein Aktionär nehmen lassen. Falls doch, dann will er etwas dafür haben. Genau das, was er dafür haben will, ist der Betrag, um den die Sachleistung vom Börsenwert abweicht. Ein Mitarbeiter, der die Aktie zeitgleich im Rahmen eines Programms zugeteilt bekam, kann die Chance nicht nutzen und muss ggf. warten, bis die drei Jahre vorbei sind und die Aktienkurse bedingt durch was auch immer abgestürzt sind. Man würde ihn verpflichten, schon im Jahr 2017 ein Einkommen zu besteuern, das er nie erhalten hat und nie erhalten wird. Er könnte nicht einmal die Kursverluste mit seinem Arbeitseinkommen steuerlich verrechnen. Damit wäre das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verletzt.

 

Ergo: 

Die Besteuerung des Erwerbs einer Mitarbeiterbeteiligung zum Zeitpunkt der Zuteilung und hinsichtlich der Höhe zum Börsenkurs verstößt zeitlich und der Höhe nach gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Es bleibt daher abzuwarten, ob das neue ab 1. Juli 2021 geltende Gesetz einer gerichtlichen Überprüfung standhält.

Jürgen Bächle
Jürgen Bächle

ist seit 1989 als selbständiger Steuerberater und Experte im internationalen Steuerrecht tätig und seit über 20 Jahren Mitglied im Vorstand des Deutschen Steuerberaterverbandes Baden-Württemberg, DSTVBW.

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