Kündigung von einem Grundstücks-Kredit und Grundschulden

 

Fazit vorweg: Bei einer drohenden Kündi­gung von einem Kredit und Vollstre­ckung in Ihr Grund­stück ergeben Sie sich nicht einfach in Ihr Schicksal. Sie brauchen sich nicht zu schämen, das haben schon ganz andere Größen als Sie durch­ge­macht. Handeln Sie frühzeitig und wenn das nicht hilft, wehren Sie sich. Wenn es gar zur Vollstre­ckung und Zwangs­ver­stei­ge­rung kommt, helfen Ihnen deutsche Gerichte bisher kaum. Denn die Gerichte prüfen weder, ob die Bank überhaupt eine Forde­rung hat, ob die Kündi­gung von einem Kredit recht­mäßig war und auch nicht, ob die Bank berech­tigt ist, gegen Sie persön­lich und dinglich in das Grund­stück zu vollstre­cken. Sie werden darauf verwiesen, dass Sie ja eine Vollstre­ckungs­ab­wehr­klage führen könnten. Da eine Vollstre­ckungs­ab­wehr­klage jedoch Kosten im sechs­stel­ligen Bereich ausge­löst und zudem viele Jahre dauert, sehen die Betrof­fenen meist keine reale Möglich­keit zur Abwehr der Vollstreckung.

 

Inhalts­ver­zeichnis

 

Zwangsvollstreckung aus Grundschulden

 

Das ist auch der Grund, weshalb trotz publi­zierter Aufsätze im Zusam­men­hang mit dem nachfol­gend beleuch­teten Urteil des EUGH und trotz teilweise überholter Recht­spre­chung des BGH bisher kein einziges Verfahren geführt wurde, das die Praxis betr. der Zwangs­voll­stre­ckung aus Grund­schulden zum Gegen­stand hatte. Es kann sich das eben kaum einer leisten. Jetzt aber läuft ein Verfahren vor dem Oberlan­des­ge­richt Stutt­gart, das ggf. bis zum BGH und von dort zum EUGH getrieben wird.

 

 

Kredit: Lösungen finden in einer Notlage

 

Wer seine Verpflich­tungen nicht mehr erfüllen kann, sollte frühzeitig Kontakt zu den Gläubi­gern bzw. der Bank aufnehmen, um eine Lösung zu finden. Zugleich ist es ratsam, sich kundigen Rat von einem Experten einzu­holen. Dazu nehmen Sie alles mit, was bei Anbah­nung des Darle­hens kommu­ni­ziert wurde, insbe­son­dere Briefe, Mails, Entwürfe, Angebote, Gesprächs­no­tizen, das Beratungs­pro­to­koll, Den Darle­hens­ver­trag bzw. bei struk­tu­rierter Finan­zie­rung alle Verträge, etwaige Bauspar­ver­träge und Lebens­ver­si­che­rungs­po­licen samt dem Schreiben, mit dem ihnen z.B. die LV-Police zugestellt wurde. Nehmen sie auch alle Schreiben und Notizen mit, die im Zusam­men­hang der bereits erfolgten, oder in Aussicht stehenden Kündi­gung stehen. 

Ganz wichtig, schreiben Sie die „Story“ auf, wie Sie überhaupt zu der Kredit­auf­nahme gekommen sind und wie es Ihnen damals ging. Waren Sie in einer Notlage z.B. wegen Kündi­gung der Mietwoh­nung, war das nächste Kind unter­wegs, handelt es sich um eine teilweise fremd­fi­nan­zierte Geldan­lage oder haben Sie den Kredit zur Umschul­dung aufge­nommen? Welche Geschäfte und Verträge haben Sie oder Ihre Angehö­rigen sonst noch mit dem Kredit­geber abgeschlossen? Wo genau haben Sie den Vertrag abgeschlossen, in Ihrer Wohnung, bei einer Bank?

 

 

Kündigung eines Kredits

 

Kommt es dennoch zu Kündi­gung, so wird der Experte prüfen ob und in welchem Umfang sie Wider­rufs­rechte haben, d.h. einer oder alle Verträge mit Rückwir­kung aufzu­heben sind. Das kann insbe­son­dere bei struk­tu­rierten Finan­zie­rungen Sinn machen, weil man dann unter Umständen Bauspar­bei­träge oder Beiträge zu Lebens­ver­si­che­rungen in voller Höhe erstattet bekommt, bezie­hungs­weise diese auf rückstän­dige Leistungs­raten zu verrechnen sind. Beiträge, die man infolge eines wirksamen Wider­rufs nicht leisten muss, können folglich auch nicht zu einem Leistungs­rück­stand und damit nicht zu einem Kündi­gungs­grund führen.

Die meisten Wider­rufs­be­leh­rungen in den Verträgen weisen inhalt­liche oder gestal­te­ri­sche Fehler auf, die zum Widerruf eines Immobi­li­en­kre­dits berech­tigen. Wenn solche gründe vorliegen, macht der Widerruf schon wegen des heute günsti­geren Zinsni­veaus Sinn. Zudem kann man die Zahlung einer Vorfäl­lig­keits­ent­schä­di­gung vermeiden. Bereits gezahlte Vorfäl­lig­keits­ent­schä­di­gungen kann man sich inner­halb der Verjäh­rungs­frist von max. knapp vier Jahren zurückholen.

Bis zur tatsäch­li­chen Rückfüh­rung eines bankseitig gekün­digten Darle­hens werden Zinsen berechnet. Diese betragen bei Immobi­li­ar­dar­le­hens­ver­trägen gegen­über Verbrau­chern ledig­lich 2,5 % über dem Basis­zins. Die Bank könnte theore­tisch einen höheren Schaden nachweisen, was aber selten gelingt.

 

 

Kündigung der Grundschuld

 

Gelingt die Rückzah­lung nicht, kann die Bank nach sechs Monaten auch die Grund­schuld kündigen und die Zwangs­ver­stei­ge­rung betreiben.  Das erfolgt über einen Antrag an das zustän­dige Gericht Deutsche Gerichte prüfen aber nicht, ob die Bank überhaupt eine fällige Forde­rung hat. die Gerichte prüfen auch nicht, ob das Darlehen und die Grund­schuld wirksam gekün­digt wurden. begründet wird dies damit, dass der Verbrau­cher eine Vollstre­ckungs­ab­wehr­klage führen könne. in der Zwangs­lage in der sich eine solche Verbrau­cher jedoch befindet, wird ihm dies schon finan­ziell schlichtweg unmög­lich sein. Außerdem dauert eine solche Klage derart lange, das durch die Zwangs­ver­stei­ge­rung der Immobilie Vollendete Tatsa­chen geschaffen sind und der Verbrau­cher samt Familie aus dem Haus oder aus der Wohnung geflogen ist. Dieser deutschen Rechts­praxis wird nun unter Verweis auf die Recht­spre­chung des Europäi­schen Gerichts­hofs (EUGH) erstmals entgegengetreten.

 

 

Vollstreckung und Abwehr

 

EUGH-Urteil 4.03.2013, C 415/11 

Verbrau­cher genießen in der EU einen beson­deren Schutz, der sich aus dem Ungleich­ge­wicht zweier Vertrags­partner (Unter­nehmer und Verbrau­cher) ableitet. Die Richt­linie 2011/83/EU über die Rechte der Verbrau­cher ist bindend für alle EU-Mitglieds­staaten und gilt somit auch für Deutsch­land. Aller­dings kommt es immer wieder zu Schwie­rig­keiten in der Ausle­gung der Richt­linie. Zuständig für die einheit­liche Ausle­gung ist der EUGH. Dieser hat sich in dem zitierten Urteil mit der Vollstre­ckung in das Grund­stück eines Verbrau­chers befasst.

Ein Spanier war mit seinen Zahlungen für einen Immobi­li­en­kredit in Rückstand geraten und hatte auch auf etliche Schreiben seiner finan­zie­renden Bank nicht reagiert. Das änderte sich erst, als es zur Zwangs­ver­stei­ge­rung kam. Er war der Meinung, dass die Bank die Forde­rung nicht hätte fällig stellen und schon gar nicht die Immobilie hätte verstei­gern dürfen. Die Bank sei auch nicht berech­tigt, aus der Grund­schuld­be­stel­lung Urkunde in sein Eigentum zu vollstrecken.

 

 

Darlehensvertrag – Sicherungsvertrag — Sicherungszweckerklärung

 

Das berührt die Frage bezie­hungs­weise den Umstand, dass bei Darle­hens­ver­trägen zur Finan­zie­rung von Immobi­lien de facto immer zwei Verträge abgeschlossen werden. Zum einen wird der Darle­hens­ver­trag geschlossen, und zum anderen der Siche­rungs­ver­trag, sprich Grund­schuld­be­stel­lung. Beide Verträge stehen wie eingangs beschrieben losge­löst neben­ein­ander. Das ist in Spanien nicht anders als in Deutschland. 

 

Nach dem zitierten Urteil des EUGH ist es jedoch rechts­miss­bräuch­lich, wenn sich ein Kredit­in­stitut das Recht einräumen lässt, ohne vorhe­riges Erkennt­nis­ver­fahren, d.h. ohne gericht­liche Feststel­lung darüber, dass eine fällige Forde­rung vorliegt und diese obendrein durch die Grund­schuld besichert ist, in die Immobilie und gegen ihren Kunden zu vollstre­cken. Dies gilt laut EUGH in beson­derem Maße, wenn es dabei um das Famili­en­heim und die Existenz­grund­lage des Verbrau­chers geht. 

 

Die vom EUGH monierte Rechts­praxis wird in Deutsch­land dennoch fortge­setzt prakti­ziert. Denn die Banken können ohne Erkennt­nis­ver­fahren / Festel­lung der Recht­mä­ßig­keit der Kündi­gung und Höhe der Forde­rung in die Immobilie und gegen ihren Kunden selbst dann vollstre­cken, wenn es sich um das Famili­en­heim und die Existenz­grund­lage handelt. 

 

Geprüft wurde vom EUGH aufgrund eines Vorla­ge­schlusses des spani­schen Zivilgerichts: 

 

1. ein Verstoß gegen die 93/13/EWG vom 5. April 1993 über mißbräuch­liche Klauseln in Verbraucherverträgen

 

2. ein Verstoß gegen RICHTLINIE 2009/22/EG vom 23. April 2009 über Unter­las­sungs­klagen zum Schutz der Verbraucherinteressen

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    Jürgen Bächle

    Jürgen Bächle

    ist seit 1989 als selbständiger Steuer­be­rater und Experte im inter­na­tio­nalen Steuer­recht tätig und seit über 20 Jahren Mitglied im Vorstand des Deutschen Steuer­be­ra­ter­ver­bandes Baden-Württemberg, DSTVBW.

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