bfh urteil

Steuerliche Berücksichtigung von überobligatorischen Beiträgen zu einer schweizerischen öffentlich-rechtlichen Pensionskasse bei Tätigkeit im
Schweizer öffentlichen Dienst – ggf. auch in der Privatwirtschaft?

Etliche Arbeitnehmer pendeln täglich zur Arbeit von Deutschland in die Schweiz. Sofern Sie als Grenzgänger im Sinne des Artikel 15 a DBA behandelt werden, besteuern Sie ihr Einkommen zu 100% in Deutschland. Andere Arbeitnehmer können je nach Sachlage mit einem teil des Einkommens in Deutschland besteuert werden oder aber es wird das Schweizer Einkommen in Deutschland nur im Rahmen des Progressionsausgleichs berücksichtigt. In all diesen Fällen ist für die Steuererklärung in Deutschland das steuerpflichtige Einkommen nach den Grundsätzen des deutschen EStG zu ermitteln. Eines der Probleme richtet sich auf die Frage, ob und in welchem Umfang die Beiträge des Schweizer Arbeitgebers in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen.

Der BFH hat aus Sicht der Finanzämter jetzt vermeintlich Klarheit geschaffen, was dazu führt, dass Beiträge in das sog. Überobligatorium als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln seien. Jedoch hat der BFH nur den Einzelfall eines im öffentlichen Dienst tätigen Arbeitnehmers behandelt und aus Sicht des Verfassers dieses Beitrags das Schweizer System nicht verstanden und deshalb falsch entschieden. Laufende Einsprüche sollen deshalb aufrecht erhalten bleiben und eine erneute und umfassende gerichtliche Klärung herbeigeführt bzw. abgewartet werden.

Inhaltsverzeichnis

Leitsätze des BFH

  1. Bei überobligatorischen Arbeitgeberbeiträgen für einen im Schweizer Öffentlichen Dienst und als Grenzgänger in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitnehmer handelt es sich um Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beitragsleistung zufließt, wenn die Beiträge an eine schweizerische öffentlich-rechtliche Pensionskasse gezahlt werden
  2. Überobligatorische Arbeitgeberbeiträge an eine schweizerische öffentlich-rechtliche Pensionskasse sind (dann) keine gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes steuerfreien Zukunftssicherungsleistungen.
 

Der zu entscheidende Fall lag so

Der Fall spielt im Jahr 2016, also vor acht Jahren! Der Kläger arbeitete in Sankt Gallen im öffentlichen Dienst, war in der Schweiz SV-pflichtig, unterlag jedoch nach Artikel 15 a DBA als sog. Grenzgänger der deutschen Besteuerung.

Als in der Schweiz versicherter Arbeitnehmer erwarb er neben den Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung AHV (Alters- und Hinterbliebenenversicherung) zusätzlich obligatorisch Ansprüche gegen die sog. Pensionskasse. Leistungen in die Pensionskasse sind nicht freiwillig, sondern werden aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung geleistet. Die wichtigsten Eckdaten dazu sind folgende:

  • Im Obligatorium berücksichtigt werden Lohnbestandteile bis maximal CHF 88’200 p.a.
  • Die Beitragspflicht beginnt aber nicht mit dem ersten Franken Einkommen, sondern erst ab dem vollendeten 24. Lebensjahr, zusammen mit dem Erreichen eines jährlichen Mindesteinkommens von CHF 22’050 (Stand 1.1.2024).
  • Der sog. Koordinationsabzug (Freibetrag) beträgt fix CHF 25’725.
  • Die jährlichen Sparbeiträge betragen abhängig vom Alter 7 %, 10 %, 15 % oder 18 %.
  • Das Alterskapital wird mit dem geltenden Mindestzins verzinst (aktuell 1,25 %).
  • Der gesetzlich vorgegebene Umwandlungssatz für das Obligatorium beträgt 6,8 %. D.h. die spätere Rente bestimmt sich nach diesen Eckdaten.

 

Wer mehr verdient, zahlt auch aus dem übersteigenden Einkommen Beiträge. Diese werden jedoch nicht gleich verzinst. Auch weitere Umstände können zum Aufbau von Altersguthaben im sog. Überobligatorium führen:

  • Der betriebliche Vorsorgeplan ermöglicht die Versicherung von Einkommen, die unter der gesetzlichen Eintrittsschwelle liegen.
  • Der Sparprozess beginnt vor dem 25. Lebensjahr.
  • Der Jahreslohn ist höher als CHF 88’200, und die darüber liegenden Lohnbestandteile werden in der BVG-Lösung mitberücksichtigt.
  • Der Koordinationsabzug ist kleiner als gesetzlich vorgeschrieben (z. B. abhängig vom Beschäftigungsgrad).
  • Die Sparbeiträge sind höher (freiwillige höhere Beitragszahlungen von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden).
  • Das Alterskapital wird mit einem höheren Zinssatz als der gesetzlichen Mindestanforderung verzinst.
  • Die bzw. der Mitarbeitende hatte bereits vor Inkrafttreten des BVG (1985) eine Vorsorgelösung.
  • Es wurden freiwillige Einkäufe in die Pensionskasse getätigt.

Im Gegensatz zum Obligatorium gibt es für das Überobligatorium keine gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Konditionen und Leistungen. Das bedeutet, dass die Pensionskassen den anzuwendenden Zins- sowie Umwandlungssatz für die überobligatorischen Lohnanteile frei festlegen können. 

Nicht pflichtversichert in der beruflichen Vorsorge sind:

  • Selbstständigerwerbende
  • noch nicht AHV-beitragspflichtige Personen (aufgrund Alters oder Einkommens)
  • im eigenen Landwirtschaftsbetrieb tätige Familienmitglieder
  • zu mindestens 70 % erwerbsunfähige Invalide
  • Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen von maximal 3 Monaten Dauer
  • rentenberechtigte Frauen ab 64 und Männer ab 65 Jahren
  • Nebenberufliche Arbeitnehmer, die bereits in einer hauptberuflichen Tätigkeit in das Obligatorium einzahlen
  • Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber nicht AHV-pflichtversichert sind

Der BFH hat sich mit diesem Teil der Grundzüge der Schweizer Versicherung offensichtlich nicht vertraut gemacht und ist der Meinung, sämtliche Beiträge in das Überobligatorium seien freiwillige Leistungen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers. Dem ist jedoch nicht so. Auch „überobligatorische“ Beiträge können arbeits- und zivilrechtlich obligatorisch sein.

Sämtliche Beiträge in eine Pensionskasse sind nicht individuell, sondern im für alle Beschäftigten des Unternehmens in eine vom Arbeitgeber – ohne Mitsprecherecht des Arbeitnehmers – bestimmte Einrichtung zu leisten. Denn der Arbeitgeber kann nicht in verschiedene Einrichtungen leisten, sondern immer nur in eine.

Versicherte können statt einer Rente die Barauszahlung einer sogenannten Austrittsleistung verlangen, wenn sie die Schweiz endgültig verlassen, sie eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und der obligatorischen beruflichen Vorsorge nicht mehr unterstehen oder die Austrittsleistung weniger als ihr Jahresbeitrag beträgt (Art. 5 des Freizügigkeitsgesetzes). Zum Zeitpunkt der Beitragsleistung ist diese Frage regelmäßig nicht zu beantworten.

Der Versicherte kann ferner bis drei Jahre vor Entstehung eines Anspruchs auf Altersleistungen von seiner Vorsorgeeinrichtung einen Betrag bis zur Höhe der Austrittsleistung nach dem Freizügigkeitsgesetz für Wohneigentum zum eigenen Bedarf (sogenannter Vorbezug) geltend machen (Art. 30c BVG). Bei Eintritt der Vorsorgefälle Alter, Tod und Invalidität wird die Versicherungsleistung im Regelfall als Rente gewährt. Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement jedoch anstelle einer entsprechenden Rente ein Wahlrecht der Versicherten zur Kapitalabfindung vorsehen (Art. 37 BVG).

Im Rahmen des in Art. 49 BVG geregelten „Selbständigkeitsbereichs“ können Vorsorgeeinrichtungen Leistungen in ihrem Reglement vorsehen, die über die gesetzlichen Mindestbestimmungen hinausgehen (sogenanntes Überobligatorium).

Steuerliche Behandlung in der Schweiz

Nach schweizerischem Recht sind sowohl die obligatorischen als auch die überobligatorischen Beiträge an die Vorsorgeeinrichtung bei der Besteuerung vom Lohn abzuziehen (Art. 81 BVG). In der Auszahlungsphase unterliegen die Leistungen vollumfänglich der Besteuerung (nachgelagerte Besteuerung, Art. 83 BVG).

Entscheidungsgründe des BFH

Die Entrichtung des gesetzlich geschuldeten Arbeitgeberanteils zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung eines Arbeitnehmers stellt keinen Arbeitslohn dar, weil die Entrichtung des Arbeitgeberanteils nicht als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu beurteilen ist. Der Arbeitgeber hat seinen Anteil am Gesamtbeitrag aufgrund einer eigenen, ihm aus sozialen Gründen unmittelbar auferlegten öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zu erbringen. Bis dahin besteht Einigkeit.

Der BFH begründet sein Urteil darauf aufbauend, dass der einzelne pflichtversicherte Arbeitnehmer durch „die Zahlung“ (gemeint ist wohl die Zahlung des Arbeitgebers) aus Sicht des BFH weder einen individuellen mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs erfährt. Der Arbeitgeberanteil sei vielmehr „systemnützig“ und bringe den einzelnen Arbeitgebern und ihren Belegschaften Vor- und Nachteile; er werde „von der Gesamtheit der pflichtversicherten Arbeitnehmer mitverdient“ und entsprechend berechnet (so bereits Senatsurteil vom 06.06.2002 – VI R 178/97).

Bei Heranziehung dieser Grundsätze seien die von einem schweizerischen Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer geleisteten überobligatorischen Beiträge zur beruflichen Vorsorge steuerbarer Arbeitslohn. Denn es handele sich bei diesen insbesondere nicht um einen allgemeinen, für Dritte bestimmten Finanzierungsbeitrag, durch den der einzelne Arbeitnehmer weder einen individuellen mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs erfährt. Vielmehr würde der eingezahlte überobligatorische Arbeitgebersparbeitrag dem für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Sparguthaben gutgeschrieben, wodurch sich dessen individuelle (Renten-) Leistungen bei Eintritt des Vorsorgefalls „Alter“ erhöhe. 

Das ist kaum nachvollziehbar, geht an der Realität vorbei. Denn wir leben nicht im Sozialismus. Auch in Deutschland sind die Arbeitgeberanteile nicht gemeinnützig, sondern haben unmittelbaren Einfluss auf die Anzahl der Beitragsmonate und die Höhe der späteren Rente des Arbeitnehmers. Damit haben auch die Arbeitnehmer in Deutschland einen individuellen Vorteil von den Arbeitgeberbeiträgen, wenngleich die Rente in Deutschland umlagefinanziert ist und nicht kapitalorientiert geleistet wird. Für den Empfänger von Arbeitslohn spielt es steuerlich jedoch keine Rolle, b der Lohn direkt vom Arbeitgeber oder von einem Dritten geleistet wird. Es kommt einzig auf den inhaltlichen Bezug an. Überdies ist die Rente nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit im Sinne des § 19 EStG resp. Artikel 15 ff. DBA Schweiz zugeordnet. 

Der Arbeitgeberanteil ist entgegen dem BFH nicht „systemnützig“ und wird gerade nicht von der Gesamtheit der pflichtversicherten Arbeitnehmer mitverdient, schön wär´s. Deutsche Arbeitgeber klagen darüber, dass sie die Arbeitgeberanteile zur SV aus ihren Erträgen und auf ihre Kosten Lasten, somit ohne Unterstützung durch die Allgemeinheit zu tragen haben. Schon gar nicht hilft ihnen die „Gesamtheit der pflichtversicherten Arbeitnehmer“ dabei, diese Kosten und Lasten zu tragen. Richtig ist in Deutschland vielmehr, dass die „Gesamtheit der pflichtversicherten Arbeitnehmer“ und die Steuerzahler die Altersversorgung der Beamten- und damit Richterschaft tragen, die sich ihrerseits am Aufbau ihrer Altersversorgung nicht beteiligen (müssen). Die Steuerfreiheit der Arbeitgeberanteile ist qua Gesetz auch nicht daran gebunden, dass diese Beiträge „systemnützig“ sind. Es lässt sich ohnehin trefflich darüber streiten, ob das deutsche SV-System „systemnützig“ ist oder eventuell sogar systemfeindlich. Denn das „System“ ist das Ganze. Wenn große Teile der Bevölkerung, vor allem die Privilegierten nicht an der Lastentragung der Altersversorgung beteiligt sind, dann sind zumindest verschiedene Sichtweisen erlaubt.  

Richtig ist die Feststellung des BFH, dass die überobligatorischen „Arbeitgeberrisikozuschläge“ (was das nun wieder sein soll, bleibt ungeklärt) die individuellen Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers in den Vorsorgefällen „Tod“ und „Invalidität“ erhöhen. Auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung haben die Anzahl der Beitragsmonate und die Höhe der Beiträge Einfluss auf die Höhe der individuellen Rentenansprüche. Eine unterschiedliche steuerliche Behandlung lässt sich damit jedenfalls nicht begründen.

Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers fließen lt. BFH dann zu, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer Versicherungsbeiträge in der Weise leistet, dass ihm ein eigener unentziehbarer Anspruch auf Versicherungsleistungen entsteht. Dem ist zuzustimmen. Es ist jedoch eine andere Frage, ob die Einzahlungen in die Pensionskasse zu einem unentziehbaren Anspruch führen und ob ggf. damit eine Steuerpflicht der Beiträge verbunden ist.

Wer eine Scheidung erlebt, wird dem BFH erklären können, wie unentziehbar der Anspruch ist. Selbstverständlich werden Guthaben bei Pensionskassen in den gesetzlich durchzuführenden Versorgungsausgleich einbezogen und damit dem bisherigen Inhaber ganz oder teilweise entzogen. In der Einzahlungsphase steuerfrei gebliebene Leistungen werden 1:1 in aller Regel mit den Guthaben aus dem Überobligatorium verrechnet. Dabei wird an der Stelle darauf verzichtet, die Regeln des IPR zu den allgemeinen Wirkungen der Ehe zu besprechen. Selbstverständlich sind die Ansprüche entziehbar. Wer vorzeitig das Zeitliche segnet, hat ebenfalls nichts von seiner Rente und auch nicht von dem Guthaben.

Vergleichbarkeit mit einer deutschen Pensionskasse

Bei ausländischen Beiträgen des Arbeitgebers zur beruflichen Vorsorge ist für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 3 Nr. 63 EStG vorliegen, zu prüfen, ob die schweizer Pensionskasse mit einer inländischen deutschen Pensionskasse als Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung nach dem deutschen Betriebsrentengesetz vergleichbar ist oder einem der Durchführungswege als vergleichbar zugeordnet werden kann (BFH-Urteil vom 17.05.2017 – X R 10/15). Eine Vergleichbarkeit ist dann anzunehmen, wenn die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht, das heißt nach Motivation und Funktion gleichwertig ist. Da eine völlige Identität kaum denkbar ist, muss sich diese Beurteilung notwendigerweise auf bestimmte Eigenschaften beider Leistungsarten beschränken und andere als unwesentlich für den Vergleich ausscheiden (BFH-Urteile vom 14.07.2010 – X R 37/08 und vom 26.11.2014 – VIII R 38/10). Bis dahin ist dem BFH zu folgen.

Im Urteilfall sah der BFH es so, dass die vorgesehenen Möglichkeiten der Auszahlung des Altersguthabens (in Ausnahmefällen) als Kapitalleistung schon vor Eintritt eines Vorsorgefalls, aber auch noch nach dessen Eintritt so gewichtig seien, dass eine Vergleichbarkeit der überobligatorischen Vorsorgevereinbarung mit der inländischen betrieblichen Altersversorgung nicht gegeben sei. Welche formen und Ausgestaltungen der BAV es in Deutschland gibt und wie dies im Verhältnis zu der Schweizer Pensionskassen zu sehen sei, ließ der BFH offen. Auch erfolgte keine Differenzierung danach, ob aufgrund des Alters des Versicherten und / oder anderer Umstände eine Kapitalauszahlung überhaupt möglich ist oder nicht. Unter anderem könnte das Wahlrecht zur Kapitalauszahlung davon abhängig sein, ob weitere Berechtigte zustimmen müssen oder nicht (u.a. Scheidungsfälle). Dass der BFH sich in seinem Urteil auf das Betriebsrentengesetz in der für das Jahr 2016 geltenden (inzwischen aber überholten) Fassung bezog, gibt für die weitere Beurteilung nichts her, weil die Änderung des Gesetzes im Jahr 2020 an den entscheidenden Punkten keine Neuerungen enthält. 

Allerdings gibt es auch im deutschen Recht die Möglichkeit der Kapitalauszahlung von Ansprüchen nach dem Betriebsrentengesetz. Der BFH hatte mit Urteil v 20.9.2016, X R 23/15, entschieden, dass die einmalige Kapitalabfindung laufender Ansprüche gegen eine der betrieblichen Altersversorgung dienende Pensionskasse jedenfalls dann dem regulären Einkommensteuertarif unterliegt, wenn das Kapitalwahlrecht schon in der ursprünglichen Versorgungsregelung enthalten war. Es handelt sich dabei wie bei der Schweizer Pensionskasse um einen Fall der nachgelagerten Besteuerung.

Die mangelnde Vergleichbarkeit der schweizer und der deutschen BAV begründete der BFH auch damit, dass in der Schweizer Pensionskasse im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Möglichkeit der Auszahlung von 50 % des Sparguthabens als Kapitalleistung möglich ist. Demgegenüber sei bei der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a AltZertG in Deutschland (Fassung 2016) lediglich eine Auszahlung in Höhe von maximal 30 % des zur Verfügung stehenden Kapitals außerhalb der monatlichen Leistungen möglich. Eine Begründung, dass die vom BFH zugestandene mangelnde Gleichheit ein Negativum hinsichtlich der Vergleichbarkeit sei, findet sich im Urteil nicht.

Zutreffend erläutert der BFH in TZ 37 der Urteilbegründung, dass die Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers sind nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei bleibt, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist, und es sich nicht um Zuwendungen oder Beiträge des Arbeitgebers nach den Nummern 56 und 63 handelt. Dies gilt auch, wenn die Verpflichtung auf ausländischen Gesetzen beruht. Gesetzliche Vorschriften im Sinne in diesem Sinne seien nur staatlich gesetzte Vorschriften. Öffentlich-rechtliche Satzungen im Sinne des deutschen Rechts zählen nicht zu diesen staatlich gesetzten Vorschriften, weil sie ‑‑anders als zum Beispiel eine Rechtsverordnung‑‑ von einer nichtstaatlichen Stelle erlassen werden.

Nun wird Deutschland aber kaum erwarten (dürfen), dass andere Länder die deutsche Staatsordnung abschreiben und 1:1 umsetzen. Die Grundlage für die überobligatorischen Beiträge zur Schweizer Pensionskasse sind vielschichtig (s.o.)

Vergleichbarkeit aus Sicht des Bundessozialgerichts

Das BSG hat sich im Urteil vom 23.02.2021, B 12 KR 32/19R dahingehend entscheiden, dass die Leistungen aus Schweizer Pensionskassen undifferenziert nach Obligatorium und Überobligatorium in vollem Umfang der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht in Deutschland unterliegen und zu verbeitragen sind. Das könnte nicht der Fall sein, wenn zumindest die Leistungen aus dem Überobligatorium als Rückzahlung versteuerter Einlagen zu beurteilen wäre. Das BSG schloss sich der Beurteilung der Vorinstanzen an, wonach sowohl bezüglich der obligatorischen als auch der obligatorischen Leistungsanteile es sich um eine Rente aus der GRV vergleichbare Rente aus dem Ausland handele. Die Vergleichbarkeit der Rente in der Leistungsphase bedingt aber auch eine Vergleichbarkeit in der Einzahlungsphase. Das BSG begründet sein Urteil damit, dass die Leistungen der Schweizerischen Pensionskasse entweder einer deutschen Rente oder einer deutschen betrieblichen Altersversorgung vergleichbar sind. Dies ist unabhängig davon, ob die Leistungen der Schweizerischen Pensionskasse auf obligatorischen oder überobligatorischen Anteilen beruhen. BFH und BSG als oberste Fachgerichte widersprechen sich in dieser wichtigen Frage.

Da hilft es auch nicht, dass der BFH am Ende seines Urteil ein offenkundig selbst definiertes „Leitbild der deutschen Basisvorsorge“ bemüht, dem das Schweizer System nicht entspräche. Insoweit sollte man die Deutungshoheit dem eher zuständigen BSG überlassen.

Fazit

Der BFH hat bezugnehmend auf die überholte Gesetzeslage 2016 entschieden, dass ein im Schweizer öffentlichen Dienst beschäftigter Grenzgänger (Art. 15a DBA Schweiz) die Beiträge seines Arbeitgebers in das Überobligatorium zur Schweier Pensionskasse versteuern muss. Der BFH hielt die Leistungen des Arbeitgebers insoweit nicht für vergleichbar mit den Leistungen, die ein deutscher Arbeitgeber leisten müsste. Damit hat der BFH in vielen Fällen recht, denn deutsche Beamte zahlen selbst gar nichts in die gesetzliche SV ein, die Lasten trägt der Arbeitgeber bzw. der Steuerzahler zu 100%. Eine Ausdehnung der Rechtsprechung auf privatwirtschaftlich beschäftigte Arbeitnehmer ist nicht entschieden und nicht zulässig. Die Vergleichbarkeit der Leistungen aus dem Obligatorium und dem Überobligatorium wird vom BFH anders beurteilt als vom BSG, das die vollumfängliche Vergleichbarkeit und einheitliche Behandlung von Leistungen aus Obligatorium und dem Überobligatorium verlangt und feststellt.

Soweit die deutschen Finanzämter Arbeitgeberanteile überobligatorische Beiträge zur Schweizer Pensionskasse besteuern, soll dem mit Einspruch und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung begegnet werden. Die ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide ist damit begründet, dass das zuständige oberste Fachgericht, nämlich das Bundessozialgericht die einheitliche Behandlung von Leistungen aus Obligatorium und dem Überobligatorium verlangt und feststellt.

Die Frage der steuerlichen Beurteilung in der Einzahlungsphase hat Konsequenzen für die Leistungen in der Leistungsphase. Hier ist dem BSG analog zu folgen, es ist allein die nachgelagerte Besteuerung zutreffend.

Jürgen Bächle
Jürgen Bächle

ist seit 1989 als selbständiger Steuerberater und Experte im internationalen Steuerrecht tätig und seit über 20 Jahren Mitglied im Vorstand des Deutschen Steuerberaterverbandes Baden-Württemberg, DSTVBW.

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