Das Steuerrecht in seiner unendlichen Vielfalt
Das Steuerrecht in seiner schier unendlichen Vielfalt macht es einem schon nicht einfach, mit dem Begriff “Einkommen” umzugehen.
So wird z. B. Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit unterschiedlich behandelt, je nachdem, welche Kriterien der Vergütungsanteil erfüllt:
- ausgeübte Tätigkeit, typisch dafür ist das laufende Gehalt
- anteilige Erfolgsvergütung, dazu zählen Boni, Tantiemen, Optionen
- als Ausfluss einer früheren Tätigkeit, Renten und Versorgungsbezüge
- als Entgelt für die Übernahme von Verantwortung, dies gilt für Aufsichtsrat und Verwaltungsrat
- Entschädigung für entgangenes Einkommen in Gestalt von Einmalzahlungen und/oder Abfindungen
- Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes, konkret gemeint sind Abfindungen
- öffentlicher Dienst, Leistungen aus öffentlichen Kassen
- Flugbegleitpersonal
- Vorstandsmitglieder, Direktoren, Geschäftsführer oder Prokurist
Unbeschadet der persönlichen unbeschränkten Steuerpflicht ist in den Doppelbesteuerungsabkommen für jede Einkunftsart einzeln geregelt, welches Land unter welchen Bedingungen auf die Ausübung seines Besteuerungsrechtes verzichten muss. Das hört sich verworren an und kann auch zu kuriosen Ergebnissen führen, weil jedes Land schon bei der Definition der Einkunftsart eigene Vorstellungen hat.
Die wichtigsten Regelungen seien nachfolgend skizziert:
- Nichtselbständige Tätigkeit: Besteuerung an dem Ort, wo die Arbeit physisch ausgeübt wird. Es sei denn, es handelt sich um einen Grenzgänger.
- Aufsichts-/Verwaltungsrat: Besteuerung am Sitz der Gesellschaft.
- Ruhegehalt, Renten: Besteuerung am Wohnsitz, gilt aber nicht für Renten aus öffentlichen Kassen (DRV, AHV), dann “Kassenstaatsprinzip”.
- Vermietung Immobilien: Ort, in dem die Immobilie liegt.
- Unternehmensgewinne: Besteuerung am Sitz des Unternehmens, außer: Betriebsstätte in anderem Land
- Zinsen, Dividenden: Wohnsitz des Berechtigten, jedoch in einigen Ländern Quellensteuer, die auf Antrag teilweise erstattet wird.
BFH äußert Zweifel an begrenzter Anrechnung von ausländischer Quellensteuer
Begrenzte Anrechnung ausländischer Quellensteuer gemeinschaftsrechtswidrig?
Trotz Europamüdigkeit und teilweise berechtigter Kritik der EU-Bürger an der Regelungswut der EU-Bürokratie gibt es in Europa auch Institutionen, die über die vereinbarten Grundfreiheiten der EU-Bürger wachen und immer wieder zu Anpassungen der nationalen Gesetzgebungen führen, die die Bürger entlasten. Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wird jetzt diese Rechtsfrage aus dem Bereich der Einkommensbesteuerung vorgelegt (verkürzte Formulierung):
Ist die Berechnung des Höchstbetrags für die Anrechnung ausländischer Steuer auf die inländische Einkommensteuer ohne Berücksichtigung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen gemeinschaftsrechtswidrig? Hintergrund dieser EuGH-Vorlage ist die Regelung des § 34c Abs. 1 EStG, der die Anrechnung ausländischer Steuer auf die Höhe der inländischen Steuer, die anteilig auf die ausländischen Einkünfte entfällt gemäß folgender Formel begrenzt:
Anrechenbarer Höchstbetrag = tarifliche Einkommensteuer x ausländische Einkünfte / Summe der Einkünfte (inländische + ausländische)
Beanstandet wird nun, dass die Bemessungsgrundlage der tariflichen Einkommensteuer das “zu versteuernde Einkommen” ist, die Aufteilung der Steuer jedoch auf Basis der “Summe der Einkünfte” erfolgt. Der Unterschied zwischen diesen beiden Größen besteht in den von der Summe der Einkünfte neben verschiedenen personenbezogenen Entlastungs- und Freibeträgen abgezogenen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen:
Summe der Einkünfte
minus verschiedene personenbezogene Entlastungs-/Freibeträge
minus Sonderausgaben
minus außergewöhnliche Belastungen = zu versteuerndes Einkommen
Sofern ein Steuerpflichtiger mit ausländischen Kapitaleinkünften also Sonderausgaben wie z.B. Versicherungsbeiträge oder außergewöhnliche Belastungen wie z.B. Krankheitskosten hat, wäre der anrechenbare Höchstbetrag höher, da die in oben genannter Formel im Nenner enthaltene Größe “zu versteuerndes Einkommen” niedriger als die “Summe der Einkünfte” wäre.
Kapitalverkehrsfreiheit umfasst auch Drittstaaten
Damit wäre ein EU-Bürger, der sein Kapital im Ausland anlegt mit den daraus erzielten Erträgen nach der geltenden Regelung steuerlich stärker belastet als ein Bürger, der Kapital im Inland anlegt und von den daraus erzielten Erträgen grundsätzlich immer Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen abziehen kann.
Eine solche Schlechterstellung kann nur akzeptiert werden, wenn es dafür eine vernünftige Rechtfertigung gäbe, ansonsten wäre die Grundfreiheit “Kapitalverkehrsfreiheit” verletzt. Der EuGH hat nun zu entscheiden, ob es eine solche Rechtfertigung gibt. Da der Schutzbereich des EU-Rechts zur Kapitalverkehrsfreiheit auch Drittstaaten umfasst, sind auch ausländische Quellensteuern auf Dividenden aus den USA, der Schweiz und Japan betroffen. Aufgrund der Neuregelung seit 2009 zur 25%-igen Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge hat diese Rechtsfrage nur noch für Kapitalanleger mit geringer Progression Bedeutung, da nur dann nach der Günstigerprüfung des § 32d Abs. 6 EStG eine Einbeziehung der Kapitalerträge in die Steuerveranlagung erfolgt. Allerdings dürfte dies gerade jene Ruheständler betreffen, die ihre Alterseinkünfte mit Kapitalerträgen aufbessern müssen.
Für Anleger, die der Abgeltungssteuer unterliegen, erfolgt die Anrechnung auf die nach Abzug des Sparerpauschbetrags verbleibende Kapitalertragsteuer von 25%. Eine Erstattung ausländischer Steuer über die in Deutschland festzusetzende tarifliche Steuer hinaus wird nicht vorgenommen, da Deutschland dadurch den jeweiligen Quellenstaat subventionieren würde. Noch nicht bestandskräftige Einkommensteuerbescheide bis 2008, bei denen nur eine begrenzte Anrechnung der Quellensteuer auf Auslandsdividenden erfolgte sowie Bescheide ab 2009, bei denen bei Günstigerprüfung, also Einbeziehung in die Steuerveranlagung, ausländische Quellensteuer nicht zur Anrechnung kommt, sollten daher durch Einspruch mit Hinweis auf die erwähnte EuGH-Vorlage offen gehalten werden, um von einer möglichen günstigen EuGH-Entscheidung profitieren zu können.