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Fapiao

Die Digitalisierung in China ist bekanntermaßen sehr viel weitergehend, als man sich das in Europa überhaupt nur vorstellen könnte. Bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2019 wurde in einer Pilotphase die Papierform der Fapiao abgeschafft und durch eine elektronische Form ersetzt. In mehreren Städten, so auch in Shenzhen, wurde die in China praktisch auf jedem Smartphone installierte App von WeChat funktional erweitert. Per 1. September 2020 kamen weitere Provinzen hinzu. Bis Ende 2020 soll das neue System flächendeckend eingeführt werden.

Inhaltsverzeichnis

Kontrolle durch Technologie

China gehört inzwischen zu den weltweit führenden Nationen, wenn es um elektronische Gesichts‑, Stimm‑, oder Körperhaltungserkennung geht. Die Technologie wird über mehr als 170 Millionen Videokameras eingesetzt zur Verkehrs‑, Gebäude- und Straßenüberwachung. Sie dient auch der Vernetzung von Datenbanken mit den Computern der Grenzbehörden oder der Erfassung der Bürger, die auf der schwarzen Liste der Kreditschuldner stehen. Dieses System wird zunehmend ausgeweitet auf Unternehmen. Das ab 1.1.2021 geltende neue chinesische Umsatzsteuersystem nimmt dabei über die eingebaute Überwachungsfunktion eine zentrale Rolle ein.

Unternehmen sind keine seelenlose Gebilde, sondern Ort des Zusammentreffens von Menschen. Wenn diese sich in China auf dem Weg zur Arbeit ein Brötchen kaufen, zahlen sie nicht mit Bargeld, sondern halten ihr Smartphone mit der WeChat-App an den Scanner. Damit hat der Staat die Kontrolle nicht nur über deren Ausgabeverhalten und den Aufenthaltsort, sondern auch über ihre Ernährung.

Über so etwas wie Datenschutzgrundverordnung denkt in China keiner nach. Über die Smartphones und sog. Algorithmen belauscht der Staat jedes Privatgespräch und damit letzten Endes auch, was in den Unternehmen gesprochen wird. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern gängige Praxis. Bei uns hält sich der Staat da raus. Aber Alexa, Siri und andere „Dienste“ hören ebenfalls mit und versorgen uns darauf mit individualisierter Information bzw. Werbung.

China und Compliance

Vor dem Hintergrund des erkennbar raueren Tons zwischen den Regierungen in Europa und China sollte man sich keinen Illusionen hingeben, dass die Behörden keinen Gebrauch von den neuen gesetzlichen Möglichkeiten machen würden. Ich rate daher jedem Unternehmen, sich durch Information, Schulungen und klare Instruktionen in Bezug auf ein belastbares, internes Kontrollsystem (IKS) und die strikte Einhaltung der Compliance zu wappnen.

In China ist das Gespür für Compliance noch nicht sonderlich stark ausgeprägt. Auch wenn deren Einhaltung durch die lokalen CPA regelmäßig bescheinigt wird, erweisen sich deren Testate weit überwiegend als untauglich. Noch immer ist es so, dass sehr oft die lokalen Mitarbeiter mit „Lösungen“ für Probleme aufwarten, wobei der eigene Vorteil oder Komfort stärkere Beachtung finden, als die Einhaltung der Compliance durch das Unternehmen und dessen Management. Das aber wird jetzt zur Existenzfrage.

Punkte-Scoring

Die Bürger in China haben sich weitgehend damit abgefunden, dass sie auf Schritt und Tritt überwacht und in einem Punktesystem benotet werden. Punkte-Abzug gibt es für alle, die beispielsweise ihre Schulden oder Steuern nicht bezahlen, bei rot über die Ampel gehen, sich nicht gesund verhalten.

Abzug gibt es auch für jene, die nicht regelmäßig ihre Eltern besuchen oder sich gar kritisch gegenüber dem Regime äußern. Wer zu wenig Punkte hat, muss mit Sanktionen rechnen. Da gibt es plötzlich keine Bahnkarten oder Flüge mehr, der Studienplatz für die Kinder oder die neue Wohnung ist schon vergeben. Kredite für das Eigenheim gibt es dann auch keine mehr. Also fügt man sich.

Totale Datenerfassung

Das Punkte-Scoring und damit die totale Datenerfassung und Überwachung wurde weitgehend unbeachtet zwischenzeitlich auch auf ausländische Firmen ausgeweitet, die in China tätig sind. Wer sich nicht regelkonform verhält, muss mit Sanktionen rechnen. Der EU-Handelskammer in China zufolge trifft diese Entwicklung viele Firmen völlig unvorbereitet. Darin steckt aber leider auch die Aussage, dass viele sich nicht darauf vorbereitet haben, sich an die Regeln zu halten und wider besseres Wissen im Graubereich segeln. Nicht selten, um damit ihren lokalen Mitarbeitern oder Geschäftspartnern einen Gefallen zu erweisen.

Es handelt sich um das umfassendste regulatorische System, das je eine Regierung eingeführt hat. Das neue Punktesystem wird für einzelne Unternehmen über Sein oder Nichtsein entscheiden, wobei WeChat und die anstehende Umsatzsteuerreform eine zentrale Bedeutung einnehmen. Der erste Belastungstest, zugleich auch die Chance für eine systemische Neuausrichtung ist der anstehende Jahresabschluss und der Jahreswechsel.

Angst vor China ist dennoch nicht angesagt. Aber es ist allerhöchste Zeit, die eigene Strategie zu überdenken und vor allem, in den Unternehmen in China klare Zeichen zu setzen und deren Einhaltung regelmäßig zu überprüfen. Im Zentrum steht dabei eine Bestandsaufnahme der Geschäftsprozesse und des Internen Kontrollsystems. Der Schutz der vitalen Interessen eines Unternehmens muss sich in Ansehung der realen Überwachung auf alle Bereiche erstrecken, angefangen von der Technik, der Nutzung von Spracherkennung, Smartphones und Mails bis hin zum Verhalten der Mitarbeiter.

Hartes Durchgreifen mithilfe digitaler Transformation

Neu seit 1.9.2020 
Die Digitalisierung in China ist bekanntermaßen sehr viel weitergehend, als man sich das in Europa überhaupt nur vorstellen könnte. Bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2019 wurde in einer Pilotphase die Papierform der Fapiao abgeschafft und durch eine elektronische Form ersetzt. In mehreren Städten, so auch in Shenzhen, wurde die in China praktisch auf jedem Smartphone installierte App von WeChat funktional erweitert. Per 1. September 2020 kamen weitere Provinzen hinzu.
Bis Ende 2020 soll das neue System flächendeckend eingeführt werden. 

Fapiao – WeChat

Die erste Fapiao neuer Zeitrechnung wurde von einem Restaurant ausgestellt. Über WeChat werden aber auch freie Parkplätze gebucht, der Frisör oder das Brötchen am Kiosk bezahlt. Dazu werden auf Basis der blockchain Technologie automatisch die Informationen von den Smartphones der Konsumenten mit denen der Unternehmer und dem Finanzamt verknüpft.  Die alten amtlich ausgegeben Formulare dürfen vorerst weiterverwendet werden. Darin liegt die Gefahr so weiterzumachen, wie bisher. Das haben längst nicht alle Unternehmen mitbekommen und dementsprechend auch ihre Mitarbeiter nicht instruiert, wie mit der neuen Situation umzugehen sei.

Wer durch Nichtstun zulässt, dass man weiter in den alten Fahrwassern unterwegs ist, riskiert sehr viel. Denn Vorsteuerbetrug wird zunehmend hart geahndet. Wer als Person oder als Unternehmen gegen das geltende Recht verstößt, kann gezwungen werden, das Land zu verlassen. Man kann sich vorstellen, dass gutgehende Unternehmen in dem Zusammenhang nicht stillgelegt werden, sondern  in andere Hände übergehen. Den Unternehmen droht damit der Totalverlust ihrer Investition und jahrelanger Aufbauarbeit. 

Brutto oder Netto?

Wenn in Europa im B2B Geschäft ein Kaufpreis vereinbart wird, dann gilt dieser regelmäßig als Nettopreis ohne Umsatzsteuer. In China hingegen gilt, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, der vereinbarte Preis regelmäßig als Bruttopreis incl. VAT. Wer das nicht weiß und es in seinem Angebot nicht berücksichtigt, begeht unter Umständen einen teuren Fehler. Denn er erhält am Ende nicht den kalkulierten Preis, sondern diesen abzüglich der chinesischen Umsatzsteuer / VAT. 

Steuersatz – VAT

Der reguläre Steuersatz beträgt 13% und wird erhoben auf die Einfuhr und den Verkauf von Gütern, auch auf die z.B. Be- und Verarbeitung von Gütern.
Auch Reparaturen werden mit dem regulären Steuersatz von 13% besteuert.
Dieser Steuersatz gilt auch bei der Einfuhr von Gütern. Im Verkauf gelten die Steuersätze aber nur dann, wenn der leistende Unternehmer ein sog. general taxpayer und nicht etwa ein Kleinunternehmer ist, der zwar nur 3% VAT zahlt, dafür aber keinen Vorsteuerabzug hat und dessen 3% VAT bei beim Empfänger weder als Vorsteuer, noch die Ausgaben überhaupt steuerlich abziehbar sind.

Für bestimmte Branchen und Waren gelten ermäßigte Steuersätze. Für Getreide, Speiseöl, Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Waren zur Landwirtschaft, Leistungswasser, Erdgas und sonstige Güter des täglichen Bedarfs werden je nach Art der Güter ca. 9% erhoben. Die meisten Dienstleistungen werden mit dem ermäßigten Steuersatz von 6% besteuert. Für den Importe und Verkauf von Luxusgütern können je nach Warengruppe unterschiedlich hohe Zusatzsteuern erhoben werden. 

Während die VAT beim Empfänger zum Vorsteuerabzug führen kann, trägt der Importeur bzw. trägt der Käufer wirtschaftlich die auf die zu zahlende VAT erhobene Zusatzsteuer (surcharges) z.B. in Gestalt der Stadt- und Flußbausteuer , die abhängig von den lokalen Zuschlägen bis zu ca. 7%der VAT ausmachen kann. Auch dies sollte bei der Kalkulation berücksichtigt werden. 

Wer nicht im Besitz einer Importlizenz ist, muss einen zugelassenen Agenten einschalten, der natürlich auch nicht umsonst arbeitet. Ein ausländischer Lieferant kann nur bis zur Grenze liefern, nicht weiter. Wer genau welche Kosten und Risiken trägt, bestimmt sich über die Incoterms. Vorsicht ist auch hier geboten bei langfristigen Verträgen, denn die international anerkannten Incoterms ändern sich regelmäßig.
Die aktuelle Fassung der Incoterms trat am 1. Januar 2020 in Kraft. Da über die Incoterms auch Verteilung der Kostentragung für Transport, Versicherung und Lagerung geregelt ist, beeinflussen die Incoterms auch die Höhe des Zollwerts und der Einfuhr-VAT. 

Zölle und Einfuhrumsatzsteuer

Zölle und Einfuhrumsatzsteuern zahlt der Importeur. In den Lieferverträgen soll deshalb grundsätzlich eine Klausel enthalten sein, wonach sich der genannte Preis als Nettopreis versteht und der Importeur die Zollgebühren und auch die Einfuhrumsatzsteuer trägt. 

Maschinen- und Anlagenbau

Der Maschinen und Anlagenbau ist eine tragende Säule der deutschen Exportwirtschaft. China ist ein wichtiger Absatzmarkt, der allerdings im Wettbewerb zu lokalen Anbietern steht. Geschuldet ist in aller Regel die Lieferung und Montage einer Anlage mit definierter Performance. Meist werden dazu die Kernkomponenten in Deutschland hergestellt und dann nach China verschifft. Dort werden Zusatzkomponenten und Dienstleistungen entweder lokal zugekauft, oder vom Kunden bereitgestellt und schließlich die Anlage mit eigenen oder fremden Kräften montiert

Werklieferung – Lieferung

Nach deutschem Recht handelt es sich um eine Werklieferung. Umsatzsteuerlich ist der Vorgang in Deutschland nicht steuerbar. Die formalen Anforderungen an Ausfuhrlieferungen sind deshalb nicht zu beachten. Ungeachtet dessen steht dem Unternehmen der volle Vorsteueranspruch in Deutschland zu.

Nach chinesischem Recht handelt es sich um eine Lieferung. Umsatzsteuerlich liegt der Ort der Werklieferung insgesamt (Planung, Lieferung, Montage) an dem Ort, an dem die Anlage aufgebaut wird. Der Ort der Lieferung kann in einer Free Trade Zone sein, meist aber wird der Aufbau in einem ganz normalen Industriegebiet erfolgen.

Wegen der fehlenden Importlizenz wird der Werkliefervertrag von den Vertragsparteien oft „aufgeteilt“ in drei oder mehr Verträge, über Planung, Lieferung und Monatge der Anlage. Nach dem Prinzip „substance over form“ werden diese Verträge allerdings in Deutschland wie auch in China als ein einziger Vertrag behandelt und steuerlich entsprechend behandelt. Ort der Werklieferung ist der Aufbauort.

Reverse charge

Hinsichtlich des Imports der Komponenten geht die Steuerschuldnerschaft im Wege des reverse charge vom Lieferanten auf den Empfänger der Güter über. Der Kunde kann damit die Einfuhr-VAT auch als Vorsteuer abziehen. Die Komponenten stehen aber nach wie vor im Eigentum des Lieferanten. Es liegt entgegen oft anderslautender Verträge keine Lieferung über die Komponenten und somit auch kein Eigentumsübergang vor. Soweit die Verträge anderslautend vereinbart waren, wurden sie für die Vergangenheit entsprechend ausgelegt. In Zukunft soll darauf aber mehr geachtet werden, weil es weit reichende zivilrechtliche Folgen für das gesamte Vertragswerk hat.

 

Die VAT fällt seitens des Lieferanten beim Erhalt von Anzahlungen und der Rest bei Fertigstellung (nicht erst bei Fakturierung) vollumfänglich für die gesamte Werklieferung in China an. Der Kunde ist hinsichtlich der Ausgangsumsätze anders als beim Import nicht Steuerschuldner der Ausgangs-VAT. Aber der Kunde muss die Anmeldung und Zahlung für den Lieferanten vornehmen (reverse charge). Oft verlangen die Kunden daher vom Lieferanten die Bereitstellung der Mittel für die Ausgangs-VAT und verweigern bis dahin jegliche Zahlung.

Kein Vollstreckungsabkommen

Da Deutschland und China kein Vollstreckungsabkommen haben, ist die Lage für den Lieferanten schwierig. Denn er kann nur hoffen, anschließend den Bruttobetrag ausgezahlt zu bekommen. Um dem vorzubeugen, müssen die Verträge im Vorherein china-spezifisch gestaltet und dabei die Besonderheiten des chinesischen Umsatzsteuersystems beachtet werden. Es soll dazu im Vertrag geregelt werden, dass der Kunde die Anmeldung und Zahlung nachweisen muss. Sonst könnte er die Zahlung des ausstehenden Gesamtbetrages unter Berufung auf die fehlende Zustimmung der Devisen-Aufsichtsbehörde SAFE verweigern.

Keine Lieferung nach China ohne Importlizenz

Für den Import von Gütern braucht man in China eine ausdrückliche Erlaubnis. Diese wird ausländischen Unternehmen generell nicht erteilt. Auch chinesische Unternehmen dürfen nur dann selbst importieren, wenn Ihnen die Erlaubnis dazu im Rahmen ihrer Geschäftslizenz ausdrücklich erlaubt wurde. Daher kann ein ausländischer Unternehmer nur bis zur Grenze und nicht nach China hinein liefern, was sich in den vereinbarten Incoterms abbilden sollte. 

Wer nicht im Besitz einer Importlizenz ist, muss einen zugelassenen Agenten einschalten, der natürlich auch nicht umsonst arbeitet. Ein ausländischer Lieferant kann nur bis zur Grenze liefern, nicht weiter. Wer genau welche Kosten und Risiken trägt, bestimmt sich über die Incoterms. Vorsicht ist auch hier geboten bei langfristigen Verträgen, denn die international anerkannten Incoterms ändern sich regelmäßig. Die aktuelle Fassung trat am 1. Januar 2020 in Kraft. Da über die Incoterms auch Verteilung der Kostentragung für Transport, Versicherung und Lagerung geregelt ist, beeinflussen sie auch die Höhe des Zollwerts und der Einfuhr-VAT.

Zölle und Einfuhrumsatzsteuern zahlt der Importeur. In den Lieferverträgen soll deshalb grundsätzlich eine Klausel enthalten sein, wonach sich der genannte Preis als Nettopreis versteht und der Importeur die Zollgebühren und auch die Einfuhrumsatzsteuer trägt.

Fapiao nur für Lieferungen und Leistungen

Fapiao dürfen nur für Lieferungen und Leistungen ausgestellt werden. Die Anforderung von Anzahlungen erfüllt diese Bedingung nicht. Gleichwohl verlangen Kunden sehr oft eine Fapiao, bevor sie eine angeforderte Anzahlung leisten. Wer diesem Druck nachgibt und eine Fapiao ausstellt, handelt rechtswidrig. Vor dem Hintergrund der angedrohten Sanktionen bis hin zum Totalverlust des Unternehmens sollten die Handlungsprämissen im Unternehmen klar und eindeutig kommuniziert sein.

Problem mit falschen Fapiao

Nur echte Fapiao von registrierten general taxpayern berechtigen zum Vorsteuerabzug. Kleinunternehmer kalkulieren ihren eigenen Einkauf von Waren und Dienstleistungen nicht netto, sondern brutto, weil sie die auf ihre Rechnungen aufgeschlagene VAT nicht als Vorsteuerabzug abziehen können. Wenn sie für die eigenen Einkäufe selbst keine Fapiao vom leistenden Unternehmer erhalten, dann können sie auch keinen Abzug als Betriebsausgaben geltend machen. Dasselbe Problem hat jeder als general taxpayer der Waren oder Dienstleistungen von einem Kleinunternehmer bezieht.

Es gibt in China Millionen von Kleinunternehmern, die deshalb erhebliche Probleme hätten, überhaupt Aufträge zu bekommen. Da aber praktisch jeder Chinese auch privat reguläre Fapiao von general taxpayern hat (z.B. aus dem Kauf von Möbeln, Haushaltsgeräten, privaten Reisen oder Hochzeitsfeiern), wurden diese Fapiao oder auch gefälschte Fapiao in das betriebliche Rechnungswesen eingeschleust, wenn es an regulären Fapiao für betriebliche Ausgaben fehlte. Wer keine Fapiao zuhause hatte, der besorgte sich welche an den Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen, wo ganz offen ein reger Schwarzhandel mit Fapiao blühte. Der Staat schaute zu und unternahm nichts dagegen. Zunächst jedenfalls. Dank Gesichtserkennung und Totalüberwachung weiß der chinesische Staat aber ganz genau, wer Fapiao kauft und in welchen Unternehmen diese landen. Das dient später im Rahmen von Betriebsprüfungen oder aus anderen Anlässen als Druckmittel gegen die Unternehmen. 

Free Trade Zones (FTZ) in China

Zölle und Einfuhrumsatzsteuern sind sofort bei der Einfuhr zu entrichten. Das kann die Liquidität erheblich belasten. Durch die Lieferung in einen Freihafen oder eine Freihandelszone kann man eien Stundung oder sogar Befreiung von den Einfuhrabgaben erreichen. 

Auch in China werden etliche lokale „Freihandelszonen“ angeboten. Diese sind jedoch nicht vergleichbar und nicht zu verwechseln mit den free trade zones, (FTZ) im internationalen Handelsverkehr. Die chinesische Version verfügt über nur einen Teil der Funktionen der FTZ. Wie alle Sonderzonen wird die chinesische FTZ umsatzsteuerlich fiktiv als Ausland behandelt. Ein Import in die Sonderzone unterliegt weder dem Zoll noch der Einfuhr-VAT. Erst bei Entnahme aus der FTZ fallen die Einfuhrabgaben an, jedoch zu einen ev. höheren Wert. Denn die Lager- und Transportkosten innerhalb der Sonderzone erhöhen beim juristischen Gelangen in das Inland den Zollwert. In einer FTZ darf auch montiert und sogar produziert werden. Wenn alle in einer FTZ eingesetzten Rohstoffe aus dem Ausland kommen und zu einem Produkt verarbeitet werden, wird der Zoll nach dem Wert des Produkts berechnet und nicht nach den Rohstoffen. 

Werden auch Rohstoffe aus China eingesetzt, so bestimmt sich der Zollwert aus dem Wert der importierten Rohstoffe! Das eröffnet Gestaltungswege. Wenn die Waren auch in China verkauft werden sollen, hilft ein genauer Nachweis der Herkunft der Rohstoffe zur Senkung des Import-Zollwerts. In Abhängigkeit vom Umfang der lokalen Verkäufe kann ein Umzug von der FTZ in das Steuergebiet sinnvoll sein. 

Neben dem FTZ gibt es in China weitere umsatzsteuerliche Sonderzonen:

  • Bounded Warehouse (Zolllager)
    Es ist dafür eine Genehmigung erforderlich, diese ermöglicht die zollfreie Einlagerung im eigenen Unternehmen. Es muss ein Zollbuch über die Zu- und Abgänge geführt werden. Etwaige Fehlbestände werden wie eine Einfuhr besteuert. 

 

  • Export Processing Zones (EPZ)
    analog FTZ, aber sofortige Vorsteuerkürzung der in das EPZ „exportierten“ Güter

 

  • Bounded Logistic Parks: passt für die Lagerung von Gütern und einfache Tätigkeiten, Ausstellung, Erprobung und Instandhaltung

 

  • Bounded Ports

 

  • Comprehensive Bounded Zones 

Wahl des VAT-Status

Wer nicht als general taxpayer registriert ist, gilt als Kleinunternehmer und zahlt 3% VAT. Einen Anspruch auf Erstattung der Vorsteuerabzug oder Einfuhrumsatzsteuer haben die Kleinunternehmer nicht. Sie dürfen in Ausnahmefällen selbst Fapiao mit 3% VAT ausstellen, ansonsten kann man die Fapiao auch über dasSteueramt bekommen. Das ist allerdings recht aufwändig. Andererseits ist man als Kleinunternehmer beim Verkauf an Endkunden, die selbst nicht general taxpayer sind im Vorteil, wenn man diesen statt 13% regulärem Satz nur 3% berechnen muss.

Es ist eine Frage der Kalkulation, ob der Verlust des Vorsteuerabzuges das aufwiegt. Es ist daher in China schon bei der Auswahl der Lieferanten wichtig zu klären, ob diese als general taxpayer zur Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen, sog. Fapiao berechtigt sind.

Vorsteuerabzug – ev. nach drei Monaten verloren

General taxpayer erhalten in China den Vorsteuerabzug. Weitere Voraussetzung ist, dass die Fapiao vorliegt. Wer sich jetzt nicht darauf vorbereitet, dem entgeht spätestens ab Januar 2021 der Vorsteuerabzug, wenn keine elektronischen Fapiao vorliegen. Zu beachten ist ferner, dass Fapiao zeitlich nur sehr beschränkt innerhalb von drei Monaten nachgereicht werden können. Ansonsten gehen der  Vorsteuerabzug und der Betriebsausgabenabzug endgültig verloren.

Die von anderen chinesischen Unternehmern auf einer Fapiao ausgewiesene und bezahlte VAT ist grundsätzlich abzugsfähig, soweit die Ausgaben „reasonable“ sind. VAT von Kleinunternehmern sind nur dann als Vorsteuer abziehbar, wenn man eine VAT-Fapiao erhält, was sich oft schwierig gestaltet.

Vorsteuerüberhang

Vorsteuern, welche die abzuführende Umsatzsteuer übersteigen, werden zunächst nicht erstattet, sondern mit der abzuführenden Umsatzsteuer des Folgemonats verrechnet. Das kann sich zu einem Liquiditätsproblem aufbauen, wenn ein Unternehmen auf dem sich aufbauenden Vorsteuerberg sitzen bleibt. Seit April 2019 können aber zumindest 60% des Vorsteuerüberhangs erstattet werden, wenn sich der Überhang seit mehr als 6 Monaten aufbaut und 500.000 RMB übersteigt. Exportierende Unternehmen hingegen erhalten die anteilige Vorsteuer erstattet. 

VAT, die auf Waren oder Dienstleistungen gezahlt wurde, aus denen VAT-befreite Waren hergestellt wurden, ist nicht zum Vorsteuerabzug zugelassen. Von dem an eine Spedition geleisteten Entgelt kann ein Anteil von 10% mit der zu zahlenden VAT verrechnet werden.

Vorsteuerkürzung beim Export

Exporte sind in China nicht „steuerfrei“ sondern werden je nach Art des Unternehmens und der exportierten Güter über eine Vorsteuerkürzung besteuert. Eine gemäß HS-Code definierte, produktbezogene „tax refund rate“ von 13% bedeutet, dass die volle Vorsteuer erstattet werden kann. Eine tax refund rate von z.B. 11% führt zur Vorsteuerkürzung, die sich bei einem Produktionsunternehmen anders rechnet als bei einem Handelsunternehmen. 

Beispiel: 

Export eines in China hergestellten Produkts. Der Vorsteuer-Schlüssel sei orientiert an dem HS-Code mit 9% anzuwenden. Die Vorsteuer-Kürzung beträgt 

Regesteuersatz 13% 

Kürzungssatz bei Export  9% 

= Vorsteuerkürzung 4%      Problem: rechnet sich vom VK 

Das führt bei einer einfach nachzuvollziehenden Kalkulation zu folgender Situation 

netto Vorsteuer 
Materialkosten 100 13 
Löhne 100 – 
Übrige Kosten 100 
kalkulierter Gewinn 100 – 
Summe Vorsteuer 15
Verkaufspreis 400 
Kürzung der Vorsteuer
4% vom VK -16 
abziehbare Vorsteuer0

Die nicht abziehbare Vorsteuer in Höhe von eigentlich 16 (4% vom VK), hier begrenzt auf die max. Höhe der Vorsteuer von 15 führt zu echten Kosten, die in der Kalkulation berücksichtigt werden müssen. Je höher die Wertschöpfung, desto höher die Vorsteuerkürzung. 

Mit steigendem Exportanteil und steigender Marge in den Exportpreisen erhöhen sich die Netto-Einstandskosten des Produktions-Unternehmens. Bei Handelsunternehmen führt der Export ebenfalls zur Vorsteuerkürzung. Jedoch berechnet sich die Kürzung nicht vom VK, sondern vom EK.

Strategie zur Senkung nicht erstattungsfähigen Vorsteuern

Bei Lohnfertigung (verlängerte Werkbank) in China stehen drei Modelle zur Wahl:

 

  • Das „Contract Manufacuring“ Unternehmen kauft Maschinen und Rohstoffe selbst ein. Die Erstattung der Vorsteuern ist nach den beschriebenen Regeln möglich.

 

  • Das „Toll Manufacturing“ Unternehmen bekommt Maschinen und / oder Rohstoffe  vom Prinzipal beigestellt. Steuerfolge: keine Vorsteuer-Erstattung möglich.

 

  • Gemischte Umsätze
    Das Unternehmen handelt mit Maschinen, installiert diese und führt anschließend Wartung und Service aus. Die Besteuerung richtet sich in diesen Fällen nach dem Hauptgeschäftsfeld des leistenden Unternehmens.

 

Der handelsübliche Kaufpreis für ein solches Papier beträgt 50% der damit verbundenen Vorsteuer. Wer morgens auf dem Weg zur Arbeit Im Vorbeigehen noch eine Fapiao kaufte und diese im Unternehmen einschleuste, verdiente damit für sich und für das Unternehmen bares Geld. Dass dies nicht legal war und damit die Aussagekraft der Buchhaltung litt, überdies dem Betrug Tür und Tor geöffnet wurde, versteht sich von selbst. Es war aber gängige Praxis und in beinahe allen Unternehmen anzutreffen.

Es ging jedoch nicht immer um Betrug der Mitarbeiter, wenn falsche Fapiao eingeschleust wurden. Es ist leider gängige Praxis, dass man reguläre Betriebs-ausgaben, die aus den unterschiedlichsten Gründen keine Fapiao vorlag, man sich in der Familie oder auf dem Schwarzmarkt „Ersatz“ besorgte, um die Ausgabe aus der betrieblichen Kasse zu „legalisieren“. Da die Beträge selten 1:1 mit der Fapiao übereinstimmten, wurde die Differenzen durch Entnahmen ausgeglichen.

Gebucht wurde, was auf der ehrlichen oder eingeschleusten Fapiao stand und nicht, wofür das Geld tatsächlich ausgegeben wurde. Deshalb würde auch kaum ein Chinese auf die Idee kommen, dass einer Buchhaltung zu trauen wäre und er würde anders als ein europäischer Unternehmer oder Controller schon gar nicht auf die Idee kommen, das Ergebnis einer Buchhaltung zur Grundlage betrieblicher Entscheidungen zu erheben.

Jürgen Bächle
Jürgen Bächle

ist seit 1989 als selbständiger Steuerberater und Experte im internationalen Steuerrecht tätig und seit über 20 Jahren Mitglied im Vorstand des Deutschen Steuerberaterverbandes Baden-Württemberg, DSTVBW.

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