Gesellschafter-Darlehen in der Krise – Beseitigung bilanzieller Überschuldung
Aufgrund der Corona-Pandemie sind etliche Privathaushalte, sowie kleine und mittlere Unternehmen von Insolvenz bedroht und benötigen ein Darlehen. Die Bundesregierung hat deshalb nicht nur die Regeln zur Anmeldung der Insolvenz teilweise ausgesetzt, sondern durch Eingriffe in das Insolvenzrecht die Geschäftsführerhaftung sowie die Anfechtungsrechte des Insolvenzverwalters deutlich modifiziert.
Inhaltsverzeichnis
Zudem trat mit Wirkung ab dem 1. Januar 2021 das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, kurz StaRUG, in Kraft. Erstmals wurde in diesem Gesetz für Geschäftsführer und andere Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften und GmbH & Co KG die gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung von Instrumenten zur Früherkennung von Krisen und deren Management eingeführt. Deshalb ist unbedingt anzuraten, einen fähigen Berater hinzuziehen. Steuerberater/innen, vorzugsweise mit der vom DSTV angebotenen Zusatzqualifizierung als Fachberater für Restrukturierung und Unternehmensplanung sind dafür besonders kompetente Ansprechpartner und werden von den Gerichten auch als solche anerkannt.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erfolgte unter folgenden Voraussetzungen:
- Die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung des Unternehmens ist Folge der Corona-Pandemie
- Es wird vermutet, dass die Zahlungsunfähigkeit auf der Pandemie beruht, wenn der Schuldner am 31.12.2019 noch nicht zahlungsunfähig war.
- Es dürfen keine Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass Aussichten für eine erfolgreiche Sanierung des Unternehmens künftig nicht gegeben sind.
Während Privathaushalte nicht verpflichtet sind, von sich aus eine Privatinsolvenz anzumelden, verlangt das Gesetz von Unternehmern und Geschäftsführern, bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit den Gang zum Insolvenzgericht anzutreten. Bei Kapitalgesellschaften kommt ein weiterer Insolvenzgrund dazu: die bilanzielle Überschuldung. Diese liegt vor, wenn die Kapitalrücklagen in der Bilanz aufgebraucht sind und außerdem die Hälfte des Stammkapitals durch Verluste verzehrt ist. Das hätte bereits zu Beginn der Pandemie zu einer massenhaften Zunahme von Insolvenzen geführt. Der Gesetzgeber hat zur Beruhigung der Lage deshalb die Antragspflicht befristet ausgesetzt. Zuletzt galt die Aussetzung nur für die Fälle der Überschuldung. Diese Frist endet am 31. Januar 2021.
Unternehmen vor dem Ruin trotz Zahlungsfähigkeit
Etliche Unternehmen, vor allem die in der Rechtsform der UG, GmbH und GmbH & Co KG, aber auch AG stehen vor dem Ruin, selbst wenn sie noch zahlungsfähig sind. Sie müssen jetzt und sofort angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage auch ohne bilanzielle Überschuldung in einem Businessplan darlegen, dass sie nicht von der Insolvenzwelle von Kunden und Lieferanten betroffen sein werden. Es geht darum zu prüfen, ob die Unternehmen noch zu Fortführungswerten bilanzieren dürfen.
Darlehen, Kredite und haftendes Eigenkapital
Dabei sind die Vermögens- Finanz- und Ertragslage getrennt zu betrachten. In Bezug auf die Vermögenslage gibt es Ansatz- und Bewertungswahlrechte. Diese gelten auch für Darlehen der Gesellschafter und nahestehender Personen. Solche Verbindlichkeiten sind grundsätzlich Fremdkapital, sie tragen damit auch zur Überschuldung der GmbH bei. Die Darlehen werden aber in der Krise eher behandelt wie haftendes Eigenkapital.
Das gilt nicht für Kredite und Gesellschafter Darlehen, die in der Krise gewährt wurden. Die Rückzahlung eines im Aussetzungszeitraum bis Ende Januar 2021 gewährten neuen Kredits, sowie die in diesem Zeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite gelten bis zum 30.09.2023 nicht als gläubigerbenachteiligend. Außerdem sind Kreditgewährung und Besicherungen im Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen. Dies gilt auch für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen. Mit dieser Regelung sollen mögliche Kreditgeber motiviert werden, auch während der Corona-Krise betroffenen Unternehmen Kredite zu gewähren, ohne dass sie befürchten müssen, dass andere Gläubiger später die Rückzahlung dieser Kredite anfechten könnten.
Scheitern der Finanzierung
Wenn eine Finanzierung in diesem Sinne scheitert, kommt ein vollständiger oder partieller Rangrücktritt für bestehende Alt-Gesellschafterdarlehen in Betracht. Ein Problem ist, dass der Rangrücktritt gerade in der Krise gut überlegt sein will, weil er den Gesellschafter zivilrechtlich gegenüber anderen Gläubigern schlechter stellt. Entscheidet man sich dennoch für den Rangrücktritt, um die bilanzielle Überschuldung zu beseitigen, ist aus steuerlicher Sicht die Rechtsprechung des BFH zu beachten.
Bei fehlerhafter Formulierung des Rangrücktritts muss die gesamte Verbindlichkeit erfolgswirksam ausgebucht werden. Das ist in normalen Zeiten eine Katastrophe, in Corona-Zeiten aber ein Mittel, steuerliche Verluste zu kompensieren und die bilanzielle Überschuldung in der Weise zu beseitigen, dass die Verbindlichkeit aus der Bilanz zwar nicht verschwindet, aber steuerlich wie ein Gewinn behandelt wird. Nach überstandener Krise wird der Rangrücktritt „richtig“ formuliert und das vormals gewinnerhöhend ausgebuchte Gesellschafterdarlehen gewinnmindernd wieder eingebucht.
Wann eine Verbindlichkeit bilanziert werden darf
Es gibt insoweit auch Zwischenlösungen ohne Rangrücktritt. Denn eine Verbindlichkeit darf nur dann in voller Höhe bilanziert werden, wenn sie bei Laufzeit von mehr als einem Jahr auch verzinst wird. Stellt man die Forderung zinsfrei, so darf die Verbindlichkeit nicht mehr zum Nominalwert bilanziert werden. Wenn die Forderung des Gesellschafters eine fest vereinbarte Laufzeit hat und auch von deren Erfüllung auszugehen ist, dann muss die unverzinsliche Forderung in der Steuerbilanz mit 5,5% auf den Fälligkeitstag abgezinst werden. Ist keine feste Laufzeit vereinbart, so erfolgt die Bewertung einer unverzinslichen Verbindlichkeit, die in einem Betrag fällig ist, anhand des BMF-Schreibens v. 26.5.2005. Das führt bei den angegebener Restlaufzeit der Forderung zu folgender Abzinsung
restl. Jahre | Faktor | restl. Jahre | Faktor | |
1 | 0,948 | 11 | 0,555 | |
2 | 0,898 | 12 | 0,526 | |
3 | 0,852 | 13 | 0,499 | |
4 | 0,807 | 14 | 0,473 | |
5 | 0,765 | 15 | 0,448 | |
6 | 0,725 | 16 | 0,425 | |
7 | 0,687 | 17 | 0,402 | |
8 | 0,652 | 18 | 0,381 | |
9 | 0,618 | 19 | 0,362 | |
10 | 0,585 | 20 | 0,343 |
Damit ist bei entsprechender Vereinbarung und Gestaltung eine feingliedrige Abwertung der Verbindlichkeiten und somit Stärkung des Eigenkapitals möglich, ohne dass ein Rangrücktritt erklärt werden muss. Der Betrag der Abzinsung ist steuerlich ein Ertrag, der mit laufenden oder vorgetragenen Verlusten verrechenbar ist.
Wer die kurzfristige Beseitigung der bilanziellen Überschuldung nicht glaubhaft darlegen kann, muss einen Vermögensstatus aufstellen, wobei das Vermögen der nicht zu Fortführungswerten, sondern zu Zerschlagungswerten zu bilanzieren ist. Liegt auch danach eine Überschuldung vor, darf auch die Bilanz nicht mehr mit Fortführungswerten aufgestellt werden. Damit beschleunigt sich die Abwärtsspirale. Wer sich die Mühe nicht macht und auch keinen Insolvenzantrag stellt, sondern einfach nur auf bessere Zeiten hofft, der macht sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar. Obendrein haftet er für alle nach Eintritt der Insolvenzreife eingegangenen Verpflichtungen persönlich mit dem Privatvermögen.
Fazit Jahresabschluss 2020:
Der Jahresabschluss 2020 von Kapitalgesellschaften stellt die Geschäftsleitung und stellt ihre Berater vor außergewöhnliche Herausforderungen. Es stehen etliche Mittel zur Verfügung, eine bilanzielle Überschuldung zu vermeiden und die Haftung für die Geschäftsleitung zu reduzieren. Dazu ist ein kreativer Umgang mit Gesellschafter Darlehen ein Baustein.
Es reicht nicht, die Vergangenheit nach bekannten Regeln abzuschließen. Die Corona-Krise ist ein Ereignis von herausragender Bedeutung. Damit ist eine Abkehr von der bisherigen Bilanzierungspraxis zulässig.